Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Wilhelm Bölsche, Rapallo, 6. Februar 1904

Rapallo (Hotel Eden). 6.2.1904.

Lieber Freund Bölsche!

Gestern erhielt ich von Rodenberg Ihren schönen und für mich so ehrenvollen Gruß zum 70. Geburtstag, im Febr. Heft der Deutschen Rundschau“ zugeschickt. Er hat mir und meiner Frau ganz besondere Freude bereitet, und ich sage Ihnen für diesen neuen Freundschafts-Beweis meinen herzlichsten Dank; nicht minder ** *für die schöne Postkarte mit der Darwin-Statue in London unda für die vortreffliche und mir sehr willkommene Besprechung der Anthropogenie; diese scheint auch bei anderen Freunden in dem neuen Gewande willkommen zu sein. Da ich mir es in meinem langen Leben ehrlich habe sauer werden lassen, meine Kräfte im Dienste der Natur-Erkenntniß zu verwerthen, und die unzähligen frommen Gegner das möglichst verdunkeln, thut so warme Anerkennung von competentester Seite – in so schöner Form! – doppelt wohl. ||

Über das schöne Gelingen Ihrer Herbstreise nach Paris und London habe ich mich sehr gefreut; auch daß Sie bei dieser Gelegenheit die interessante Eifel kennen lernten. Wenn Sie mich im nächsten Sommer besuchen, werden Sie die Aquarelle interessieren, die ich von dort im Herbst 1902 mitgebracht habe.

Sehr lieb war es mir zu hören, daß Sie die Sorge für die neue Aufl. von E. Krauses „Werden und Vergehen“ übernommen haben. Ich hatte dem Verleger auf seine Anfrage Sie dafür in erster Linie vorgeschlagen. Wenn Sie die nächstfolgende Aufl. neu bearbeiten, wird es Viel zu ergänzen und zu verbessern geben! ||

Zu dem glänzenden Erfolge Ihres reizenden „Liebeslebens“ (– das ich schon mehr als ein Dutzendmal verschenkt habe! –) meinen aufrichtigsten Glückwunsch; ebenso zum glücklichen Gelingen des Urania-Vortrags.

Ich bin die letzten drei Monate hier in Rapallo tüchtig fleißig gewesen und habe die Einsamkeit meiner Klosterzelle am Mittelmeer benutzt, um neben den Plankton-Studien ein kleines Buch (– mein letztes! –) zu schreiben, das als Antwort auf vielerlei Anklagen und Anfragen der „Welträthsel“ dienen soll. Die nächste Woche (die letzte meines siebenten Decenniums!) muß das Schlußkapitel bringen. Nun soll die Feder ruhen! ||

Nachdem der November uns hier köstliche Herbsttage geschenkt hatte, waren Decbr. und Januar meistens unliebenswürdig, so daß ich nicht viel zu Excursionen und Aquarellen kam. Um so mehr kam das der zusammenhängenden Arbeit zu Statten.

Wir bleiben hier bis 20. Febr. wollen dann noch einen Monat an der Riviera ponente zubringen, einige Wochen bei unserem Sohn in Sonthofen, und Mitte April nach Jena zurückkehren.

Mit herzlichen Grüßen an Sie und unsere dortigen Freunde, besonders auch B. Wille (dem ich für seine „monistische Christus-Mythe bestens danke)

stets Ihr alter

Ernst Haeckel.

a Text am linken Rand von S. 1: *für die schöne … London und;

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.02.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Biblioteka Uniwersytecka we Wroclawiu
Signatur
Handschriftenabteilung, Böl.Hae.103
ID
42230