Ernst Haeckel an Wilhelm Bölsche, Jena, 16. August 1891
Villa Haeckel. Jena, den
16.VIII.1891.
Hochgeehrter Herr Doctor!
In den letzten Tagen fand ich endlich Zeit, Ihre „Mittagsgöttin“, die Sie vor einigen Wochen mir freundlichst zugesandt hatten, zu lesen. Ich danke Ihnen herzlichst für den großen Genuß, den mir die Lectüre des ausgezeichneten Romans verschafft hat, für die Freundlichkeit, mit der Sie meiner dabei gedacht haben, und für den großen Dienst, den Sie unserer guten Sache geleistet haben. || Neben der hochinteressanten Hauptsache, der psychologischen Entwicklung der Hauptfiguren, sowie der eigenartigen Entwicklung der spannenden Handlung, hat mich besonders die vortreffliche Stimmungs-Malerei interessiert, mit der Sie den wunderbaren „Spreewald“ schildern. Leider ist mein seit vielen Jahren gehegter Wunsch, diesen geheimnißvollen Erdenwinkel zu besuchen, nie in Erfüllung gegangen. ||
Da ich Ihnen meinen Dank für diese und für frühere freundliche Gabe nicht allein mit Worten auszudrücken wünsche, möchte ich Sie fragen, ob ich Ihnen als Gegengabe die letzte Aufl. der Schöpfungsgeschichte (1889) oder die im Oct. erscheinende, IV. (ganz umgearbeitete) Aufl. der Anthropogenie senden darf?
Hochachtungsvoll mit freundlichem Gruße
Ihr ergebenster
Ernst Haeckel