Engelmann, Theodor Wilhelm

Theodor Wilhelm Engelmann an Ernst Haeckel, Berlin, 14. Oktober 1899

BERLIN N. W.

NEUE WILHELMSTR. 15.

14.10.99.

Lieber und Verehrter!

Eben ist „unter den Linden“ ein Telegramm angeschlagen, welches von einem Dir widerfahrenen Unglück (Sturz vom Maultier) berichtet. Trotz der begleitenden Bemerkung, welche die Sache ungefährlich erscheinen läßt, möchte ich Dir doch meine herzliche Theilnahme aussprechen u. dabei zugleich mein Bedauern, daß ich Dich in Jena verfehlt habe, wie auch Deine Abwesenheit bei der Enthüllung des Johannes Müller-Denkmals schmerzlichst vermerkt wurde. || Die Wissenschaft war in Coblenz leider sehr dürftig vertreten. Von Morphologen war eigentlich nur Waldeyer da, von Physiologen nur Rosenthal, Bernstein, Steiner, von Pathologen Virchow, Köster u. Marchand. Uebrigens war die Feier sehr schön u. seitens der Stadt u. Provinz des Möglichste gethan den großen Sohn zu ehren. Drei Enkel waren beim Fest, von denen der eine durch seinen vorzüglichen Dankestoast bewies, daß nicht alle Professorensprößlinge „degenerirt“ zu sein brauchen, wie Bunge behauptet. || Von Coblenz fuhr ich nach Meiningen, wo am selben Tag ein Denkmal für Brahms enthüllt worden war, an das sich ein 4tägiges Musikfest anschloß. Die Nähe von Jena war zu verführersch als daß ich – obschon gedrängt – hätte widerstehen können. Die Hoffnung Dich wiederzusehen war eine Haupttriebfeder. Leider erfuhr als alsbald, Du seiest in Rom oder doch in Italien. So beschränkte ich mich auf einen flüchtigen Besuch, der mir durch Fürbringer, Verworn, Biedermann, Riehl und Naumann, wie auch durch Schultze Vater u. Sohn sehr genußreich und durch einen mehrstündigen Verbleib in Zeiß’ || Werkstätte sehr lehrreich war. Ein Spaziergang auf Schweizerhaus u. Forst krönte dasa Ganze, wobei ich der fröhlichen Stunden dankbar gedachte, die wir dort mit Dir verleben durften. Jena hat mir wieder so gefallen, daß ich mir fest vornahm im nächsten Jahre zurückzukehren, dann aber nur, wenn ich hoffen darf Dich dort zu finden. Leider hörte ich, daß Deine liebe Frau noch sehr leidend sei. Ich habe es deshalb nicht gewagt sie zu besuchen u. bitte Dich mich bei ihr freundlichst zu entschuldigen. In der Hoffnung baldigst von Deiner völligen Wiederherstellung zu hören u. mit herzlichsten Grüßen auch von meiner Frau

Dein immer treu ergebener

Th. W. Engelmann.

a korr. aus: den

 

Letter metadata

Gattung
Empfänger
Datierung
14.10.1899
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 4208
ID
4208