Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Margarethe Krupp, Jena, 22. Februar 1907

Zoologisches Institut

der Universität Jena.

Jena 22. Februar 1907.

Hochverehrte Gnädige Frau!

Aus der gedruckten Beilage dieses Briefes (vom 16. Februar) werden sie erfahren, daß an diesem Tage (meinem 73sten Geburtstage) ein Wunsch von mir in Erfüllung gegangen ist, der mich seit vielen Jahren beschäftigt hat, nämlich die Gründung eines Phylogenetischen Museums in Jena. Als ich die Ehre hatte, Sie vor 5 Jahren persönlich kennen zu lernen und einige Tage Ihre liebenswürdige Gastfreundschaft „auf dem Hügel“ zu genießen, habe ich dieses Project eingehend mit Ihrem verewigen Herrn Gemahl besprochen, der dafür volles Verständniß besaß und das lebhafteste Interesse äußerte. ||

Das erforderliche Gründungs-Kapital von 100.000,– Mk wurde mir am 16. Februar zur Disposition gestellt und setzt sich aus folgenden Beiträgen zusammen:

10. Tausend Mark Sammlung meiner älteren Schüler

10. Tausend " Professor Dr. Hans Meyer (Leipzig)

20. Tausend " Herzog Georg von Sachsen-Meiningen

30. Tausend " die Carl-Zeiss-Stiftung in Jena

30. Tausend " Honorar-Erträge meiner Schriftsteller-Arbeiten in den letzten zehn Jahren. ||

Diese Hunderttausend Mark werden genügen, um das Gebäude des neuen „Phylogenetischen Museums“ (– oder Instituts für Entwickelungslehre –) herzustellen, dessen Bau jetzt sofort in Angriff genommen werden soll.

Für die angemessene innere Einrichtung jedoch und die schöne Ausführung dieses gemeinnützigen und bildungsfördernden Unternehmens wird es erforderlich sein, noch ungefähr die gleiche Summe durch freiwillige Beiträge von Freunden der Naturwissenschaft und Förderern der Volksbildung aufzubringen. Zu diesem Zwecke haben meine älteren Schüler den beiliegenden, von Ihnen unterzeichneten Aufruf vom 16.2. erlassen. ||

Eingedenk des ungewöhnlichen Interesses, das Ihr verewigter Herr Gemahl für zoologische und entwicklungsgeschichtliche Studien hegte, und der großen Opfer, die er denselben gebracht hat, erlaube ich mir die ergebenste Bitte, auch Ihrerseitsin seinem Sinne – sich an dieser Sammlung gütigst beteiligen zu wollen. Zu jeder näheren Auskunft bin ich gern bereit.

Indem ich Ihnen im Voraus für wohlwollende Aufnahme dieses Anliegens danke, und indem ich Sie bitte, Ihren liebenswürdigen Töchtern meinen ehrerbietigsten Gruß zu bestellen, bleibe ich in aufrichtiger Verehrung

Ihr dankbar ergebener

Ernst Haeckel.

[Beilage]

JENA, 18. Februar 1907.

Die zahlreichen freundlichen Glückwünsche und ehrenvollen Gaben, die mir aus Anlaß meines 73sten Geburtstages am 16. Februar d. J. von Nah und Fern zugegangen sind, machen es mir zur angenehmen Pflicht, den gütigen Gebern durch diese Zeilen meinen herzlichsten Dank abzustatten. Nachdem ich jetzt 46 Jahre an der Universität Jena als akademischer Lehrer gewirkt und mit meinen besten Kräften am Ausbau der Naturwissenschaft mich beteiligt habe, erblicke ich in jener Teilnahme weiter Bildungskreise den erfreulichsten Lohn für meine ernste und ehrliche Lebens-Arbeit.

Das höchste Ziel dieser Arbeit war von jeher die Gewinnung einer einheitlichen oder monistischen Weltanschauung auf Grund der Entwickelungslehre. Um deren Verständnis dem gebildeten Publikum näher zu führen, erschien mir schon seit langer Zeit die Gründung eines phylogenetischen oder „Phyletischen Museums“ wünschenswert, dessen Sammlungen die Tatsachen der organischen Entwickelung in Bildern und Präparaten dem Beschauer unmittelbar vor Augen führen sollen. Die Mittel zur Ausführung dieses Projektes sind mir – als wertvollste Geburtstagsgabe – jetzt von meinen älteren Schülern übergeben worden, als Ertrag der Sammlungen für die „Ernst-Haeckel-Stiftung“, die von ihnen vor 13 Jahren || bei Gelegenheit meines 60. Geburtstages begründet wurde. Die näheren Angaben darüber enthält der beigelegte Aufruf vom 16. Februar 1907.

Da in diesem Aufruf auch meines nahe bevorstehenden „goldenen Doktorjubiläums“ freundlichst gedacht ist, füge ich noch die Bemerkung hinzu, daß ich diesen Gedenktag (7. März) fern von Jena in aller Stille begehen werde; wahrscheinlich in dem geliebten und gelobten Lande Italia, nach dem mich meine bekannten „ultramontanen“ Neigungen seit 52 Jahren immer wieder hinziehen. Ich richte daher an alle näheren Freunde und ferneren Anhänger die Bitte, von allen mir zu diesem Tage etwa zugedachten Glückwünschen und Ehrungen abzusehen. In Italien hoffe ich auch meine Gesundheit, die durch die vorjährige Krankheit sehr gelitten hatte, zu befestigen und neue Kräfte für meine letzte Lebens-Arbeit zu gewinnen, für den Ausbau des eigenartigen „Phyletischen Museums“ in Jena.

ERNST HAECKEL. ||

[Aufruf]

An die Freunde, Schüler und Verehrer von

Ernst Haeckel

richten die unterzeichneten älteren Schüler dieses Rundschreiben in der Annahme, daß der große Kreis derer, die sich Ernst Haeckel verbunden fühlen, den Tag des

goldenen Doktorjubiläums,

den der gefeierte Forscher am 7. März 1907 begeht, nicht unbeachtet vorübergehen lassen will.

Als am 16. Februar 1894 der sechzigste Geburtstag von Ernst Haeckel in Jena festlich begangen wurde, fand die Marmorbüste des Forschers im dortigen Zoologischen Institute, der langjährigen Stätte seiner akademischen Wirksamkeit, ihren Platz. Die Geldmittel, welche von seinen Schülern, Freunden und Verehrern zum Zwecke jener Feier und zur Herstellung der Büste gesammelt worden waren, überstiegen so bedeutend die Erwartung, daß nach Abschluß aller Kosten der Ueberschuß (mehr als die Hälfte der Sammlung) dem Jubilar zur „völlig freien Verwendung im Interesse und zum Nutzen seiner Wissenschaft“ überwiesen werden konnte.

Einige ältere, Professor Ernst Haeckel besonders nahe stehende Schüler, regten schon damals, vor 13 Jahren, den Plan an, diesen Ueberschuß zur Grundlage einer besonderen

„Ernst-Haeckel-Stiftung“

zu verwenden, und durch fortgesetzte Sammlung im Kreise seiner zahlreichen Schüler und Verehrer das betreffende Kapital so zu vergrößern, daß es zur Ausführung eines eigenartigen Lieblingswunsches ihres Lehrers verwendet werden könnte. Dieser Wunsch betraf die Gründung eines Phylogenetischen Museums, einer Sammlung von Naturgegenständen, Präparaten, Bildern und anderen Unterrichtsmitteln, welche dem größeren Publikum die Bedeutung und das Wesen der Phylogenie oder Stammesgeschichte erläutern sollte, jener Wissenschaft, die Haeckel 1866 in seiner „Generellen Morphologie“ auf Lamarck und Darwin weiterbauend, als selbstständigen Zweig der Entwickelungslehre begründet hat.

Das „Phylogenetische (oder kürzer: Phyletische) Museum in Jena“ soll nach dem vorläufigen, schon vor längerer Zeit von Haeckel entworfenen Plane in unmittelbarer Nähe des jetzigen Zoologischen Instituts errichtet werden und einen großen Teil der Sammlungen aufnehmen, welche bisher in den überfüllten Räumen des letzteren ungenügend aufgestellt waren; insbesondere die prachtvollen Sammlungen von Korallen und anderen Seetieren, welche Haeckel auf seinen wiederholten Reisen nach Indien und dem roten Meere, sowie nach den Canarischen || Inseln gesammelt hatte. Außerdem will Haeckel (der seine reichhaltige Bibliothek bereits 1883 bei Einweihung des Zoologischen Instituts diesem geschenkt hatte) dem neuen Phylogenetischen Museum auch die zahlreichen Kunstwerke (Porträts und andere Bilder, Votivtafeln, Büsten u. s. w.) zum Geschenk machen, die ihm selbst im Laufe seiner 46-jährigen Lehrtätigkeit an der Universität Jena verehrt worden sind.

Die fortgesetzten Sammlungen für die „Ernst-Haeckel-Stiftung“, vermehrt durch eine hochherzige Stiftung Sr. Hoheit des Herzogs Georg von Meiningen und einen gleich ansehnlichen Beitrag der stets hilfsbereiten Karl-Zeiß-Stiftung zu Jena, haben in neuerer Zeit ein so ansehnliches Wachstum des Stiftungs-Kapitals ergeben, daß bereits demnächst der Bau des geplanten „Phylogenetischen Museums“ (für welches der Bauplatz gesichert ist) ins Werk gesetzt werden kann. Immerhin ist jedoch die gesammelte Summe nicht ausreichend, um das gemeinnützige und bildungsfördernde Unternehmen in der schönen Form und dem großen Umfange auszuführen, wie es wünschenswert erscheint. Die unterzeichneten älteren Schüler von Ernst Haeckel haben daher beschlossen, sich durch diesen Aufruf aufs Neue an die weiteren Kreise seiner Verehrer zu wenden und sie zu weiteren Geldbeiträgen für diesen Zweck aufzufordern.

Der Geschäftsführer des dafür eingesetzten Komitees, der Custos des Zoologischen Museums,

Privatdozent Dr. Leonhard Schultze in Jena

Kahlaische Straße 2

ist bereit, auf Wunsch weitere Auskunft zu erteilen und gegebenen Falls Anregungen, die von Seiten der Geber ausgehen, entgegenzunehmen.

Das Rentamt der Universität Jena, Jenergasse 8, ist amtlich beauftragt, die Beiträge einzukassieren und dem Geber Quittung auszustellen. Wir bitten daher, die Beiträge ausschließlich an dieser Stelle einzuzahlen.

Das Ergebnis der Sammlungen zum Bau des „Phylogenetischen Museums“ soll dem Jubilar am 7. März 1907 als ein Beitrag zur Erfüllung seines Lieblingswunsches im Namen der Freunde, Schüler und Verehrer überreicht werden.

Jena, den 16. Februar 1907.

Hermann Braus, a. o. Professor und Prosektor am anatom. Institut der Univers. Heidelberg.

Leo Drüner, Stabsarzt, Frankfurt a. M.

Heinrich Eggeling, a. o. Professor und Prosektor am anatom. Institut der Univers. Jena.

Max Fürbringer, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univers. Heidelberg, Geh.-Rat.

Ernst Goeppert, a. o. Professor und Prosektor am anatom. Institut der Univers. Heidelberg.

Heinrich Haeckel, Professor, Chefarzt des Städtischen Krankenhauses zu Stettin.

Oscar Hertwig, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatomisch-biologischen Instituts der Univers. Berlin, Geh.-Rat.

Richard Hertwig, o. Professor der Zoologie und Direktor des zoolog. Instituts der Univers. München.

Paul Jensen, a. o. Professor der Physiologie an der Univers. Breslau.

Conrad Keller, o. Professor der Zoologie am eidgenöss. Polytechnikum zu Zürich.

Robert Keller, Professor, Winterthur. ||

Arnold Lang, o. Professor der Zoologie und Direktor des zoolog. Instituts der Univers. und des eidesgenöss. Polytechnikums zu Zürich.

Theodor List, Professor der Zoologie an der technischen Hochschule und Direktor des zoolog. Museums zu Darmstadt.

Friedrich Maurer, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univers. Jena.

Walther May, a. o. Professor der Zoologie an der Techn. Hochschule zu Karlsruhe.

Ludwig Plate, o. Professor der Zoologie an der Landwirtschaftl. Hochschule zu Berlin.

Carl Rabl, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univers. Leipzig, Geh.-Rat.

Fritz Regel, Professor der Geographie an der Univers. Würzburg.

Fritz Roemer, Direktor des Senckenbergischen Naturhistor. Museums zu Frankfurt a. M.

Wilhelm Roux, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univers. Halle, Geh.-Rat.

Georg Ruge, o. Professor der Anatomie und Direktor des anatom. Instituts der Univers. Zürich.

Theodor Schaeppi, Dr. med. et phil., prakt. Arzt in Zürich.

Leonhard Schultze, Privatdozent der Zoologie an der Univers. Jena, Custos des zoolog. Museums.

Oswald Seeliger, o. Professor der Zoologie und Direktor des zoolog. Instituts der Univers. Rostock.

Richard Semon, Professor, München.

Eduard Strasburger, o. Professor der Botanik und Direktor des botan. Instituts der Univers. Bonn, Geh.-Rat.

Max Verworn, o. Professor der Physiologie und Direktor des physiolog. Instituts der Univers. Göttingen.

Johannes Walther, o. Professor der Geologie und Palaeontologie und Direktor des mineralog. Instituts der Univers. Halle a. S.

Professor W. Kükenthal (Breslau) ist auf einer Reise in Amerika begriffen und deshalb z. Z. nicht erreichbar.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
22.02.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Historisches Archiv Krupp, Essen
Signatur
FAH III D 159
ID
41913