Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Margarethe Krupp, Jena, 29. Juni 1906

Jena 29. Juni 1906.

Hochverehrte Gnädige Frau!

Verzeihen Sie gütigst, wenn ich in aller Kürze Ihnen einen Fall mitteile, der geeignet erscheint, Ihrer oft erprobten Mildtätigkeit Gelegenheit zu dankbarer Anwendung zu geben. Es handelt sich um die Unterstützung der darbenden Wittwe eines Bonner Arztes; ihr trefflicher Mann, Dr. Leopold Besser, ist im vorigen Jahre hoch betagt (83 oder 85?) gestorben. Er war lange Jahre Besitzer und Director der Irren-Anstalt Pützchen bei Bonn und hat diese, als er sich vor einigen Jahren zur Ruhe setzte, an Dr. Gudden (unvorteilhaft) verkauft. || Darauf verlor er den größten Teil seines Vermögens durch die Schuld eines (in Bergwerken speculirenden) Freundes. Dr. Besser, mit dem ich seit vielen Jahren bekannt war, stiftete als Arzt und idealer Menschenfreund sehr viel Gutes, hat sich auch als ethischer und psychologischer Schriftsteller einen Namen gemacht. Er war aber in vieler Hinsicht unpraktisch und hat es versäumt, seiner (30 Jahre jüngeren) Frau und ihren Kindern ausreichende Subsistenz-Mittel zu hinterlassen. Die Wittwe, die selbst kränklich ist, hofft durch Aufnahme von Pensionären sich einigen Verdienst zu verschaffen. || Falls Sie die vortreffliche Frau durch ein Geschenk (– vielleicht von 1000 Mk –) unterstützen könnten, würden Sie wohl ein gutes Werk tun. Sie können sich leicht in Bonn über ihre Lage erkundigen lassen; Frau Dr. Besser wohnt Louisen-Straße 36. Ich selbst habe sie bereits nach Kräften unterstützt.

Einer Antwort Ihrerseits auf meine vertrauliche Fürbitte bedarf es nicht; ich fühlte mich dazu nur durch das Mitleid mit der armen Wittwe und ihren Kindern veranlaßt.

Mit ergebensten Grüßen an Sie und an Ihre beiden Fräulein Töchter verehrungsvoll

Ihr

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.06.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Historisches Archiv Krupp, Essen
Signatur
FAH III D 159
ID
41912