Utrecht, d. 28/11 90.
Armer, lieber Herr Professsor!
Das ist ja furchtbar traurig, was ich eben durch Ihre lieben aber betrübten Zeilen erfahre. Durch die Zeitung hatten wir schon von der Überschwemmung gehört, die auch Jena nicht verschonte; aber so Schreckliches, wie || Sie eben darüber schreiben, hatten wir doch nicht erfahren. Die armen, unglücklichen Menschen, die ihr Leben dabei verloren und nun noch die unglücklicheren u. beklagenswerthen Angehörigen! –
Dabei haben Sie in Ihrem Hause so viel Kummervolles zu tragen! || Das betrübt uns sehr! Wenn es mit Ihrer lieben Frau doch besser würde! Ihre sorgenvolle Stimmung theile ich mit Ihnen – wenigstens seit acht Tagen. Willy mußte sich von Prof. Salzer eine kleine Operation an der Zunge machen lassen und war dadurch recht elend; heute hatte er dazu die heftigste || Migraine, da die Schmerzen an der Zunge auch auf seinen Kopf wirken. Ich wünsche nur von Herzen, daß der arme Willy bald ganz wohl sein wirda. –
In dem Packet, das wir Ihnen sandten, war auch eine Photographie Ihres Adoptiv-Kindes. Haben Sie die bekommen? Wenn nicht, || so bedaure ich’s nicht, da ich meine Bilder alle scheußlich finde und nur, weil Sie’s wünschten, eines dieser mißvergnügten Mißgeburten mitschickte. Der Himmel hat ein Einsehen gehabt und Ihnen wohlweislich diesen Anblick erspart, wie mir scheint! –
Womit ich mich noch || gar nicht zufrieden geben kann, ist der Gedanke, daß wir Sie erst im Sommer wiedersehen sollen. Ich hoffte doch so bestimmt auf Neujahr und 91 in Leipzig. Dort und Ihnen so nahe und Sie nicht zu sehen, wäre doch sehr schmerzlich für uns! Sie werden doch wohl ein Erbarmen haben u. || wenn auch nur einen Tag zu uns kommen, wenn der Zustand Ihrer lieben Frau es Ihnen erlaubt. Von Herzen wünschen wir ihr baldige Besserung!
In treuer Verehrung
Ihre
Emma Engelmann.
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