Jena 7. März 84.
Lieber Freund!
Für das deliciöse Caviar-Praesent, mit dem Du uns erfreut hast, sage ich Dir, zugleich im Namen meiner Frau, den herzlichsten Dank. Zugleich giebt es mir Veranlassung, Dir Einiges über den verflossenen, für uns sehr wichtigen Winter mitzutheilen, in der Hoffnung, daß Du das Interesse am alten Jena nicht ganz verloren hast.
Das neue zoologische Institut, dessen Zustandekommen ich wesentlich mit Deiner Unterstützung verdanke, hat sein erstes Semester glücklich überstanden und sich dabei in allen Beziehungen trefflich bewährt. ||
Dasselbe gilt auch von unserem Häuschen, in welchem wir uns sehr behaglich eingerichtet haben; dem kommenden Sommer, dem ersten im eigenen Garten, sehen wir mit sehr grünen Hoffnungen entgegen. Für mich ist das kommende Semester zugleich das erste nach Abschluß meines halben Jahrhunderts. Wenn ich auch im Ganzen nicht klagen kann, merke ich doch die vollendeten 50 Jahre deutlich an der Abnahme der Beweglichkeit und Productivität. Meine Arbeit beschränkt sich noch für lange Zeit auf die Challenger-Radiolarien, eine sehr harmlose und stellenweis recht langweilige Tretmühle, bei der nicht viel Allgemeines heraus kömmt. ||
Bei unserem Referir-Abend, der recht angenehm weiter geht, wird Deiner oft freundschaftlichst gedacht. Besonders war dies der Fall bei Gelegenheit der lebhaften Besprechungen von Naegelis großem Werk. Seine physikalischen Theorien (die doch auch nur „Natur-Philosophie“ sind!) halten wir für werthlos; die anderen Capitel aber enthalten sehr viel Gutes und Brauchbares.
– Der Abgang Halliers, der mit der geschiedenen Frau Döbereiner ein Copulatorium in Berka (für 36,000 Mk!) eingerichtet hat, hat allgemeine Befriedigung erregt; in seiner groben Resignations-Anzeige an den Senat bekommst auch Du einige Fußtritte! ||
Detmer (dem die Regierung plötzlich seine armselige Renumeration ansieht!) ist sehr unzufrieden, seine Frau noch mehr; der arme Kerl thut uns recht leid, es ist ihm aber kaum zu helfen!
– An Stahl und Sohnke haben wir sehr angenehme und gute Collegen.
– Der alte Seebeck hält sich immer noch so ziemlich; seine Frau hat die Star-Operation glücklich überstanden. – Die beiden O. L. G. Präsidenten Egloffstein und Bretschneider sind kürzlich sehr rasch hintereinander gestorben. –
Mit Freude haben wir gehört, daß Deine liebe Frau wieder ganz gesund ist. Grüße sie, sowie Richard Hertwig und die anderen befreundeten Collegen bestens. Hoffentlich sehen wir Euch im Sommer einmal hier!
Stets Dein treuer alter
E. Haeckel