Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Elisabeth und Hans Meyer, Jena, 25. Juli 1909

Jena 25.7.09.

Liebe Leipziger Kinder!

Bei der treuen Teilnahme, die Ihr den Geschicken Eures alten Vaters schenkt, muß ich Euch doch melden, daß der bedauerliche „Kampf um das Phyletische Museum“ zwischen mir und meinen liebenswürdigen Amtsnachfolger, Professor Plate; endlich glücklich zu Ende geführt ist.

Mittwoch Nachmittag (21.7.) wurde in einer 3stündigen Sitzung, von 4–7, unter Praesidium des vermittelnden Kurators, Staatsrat Dr. Vollert, der Nachweis geführt, daß Plate in allen Angriffen Unrecht hat, und daß die Regierung mir in allen Punkten Recht giebt. || Der Kampf begann vor 3 Wochen damit, daß Plate 84 Kisten mit Mäusen (– mit denen er, über 1000! – Züchtungs-Experimente anstellt) – im neuen Phyletischen Museum unterbringen wollte, weil der Gestank und Schmutz im Zoologischen Institut unerträglich sei!! – Nachdem dieser unerhörte Anspruch abgewiesen war, stellte er das Ansinnen, die 3 Zimmer im Phyletischen Museum, die ich mir allein vorbehalten hatte (Archiv, Bibliothek, Arbeitszimmer), – nach meinem Tode auszuräumen und für andere Zwecke zu benutzen. In einer 2stündigen Sitzung, die am Montag (3.5.) die 3 genannten Herren (R. V. R.) [!] und ich (– ohne Plate) hatten, wurden auch diese und andere maaßlose Anforderungen abgelehnt. || Ich habe nun das Archiv (meine 3 Räume) zur ausschließlichen freien Verfügung.

Alles Übrige überlasse ich Plate und bin froh, daß ich die kolossale Last der Einrichtung der Phyletischen Sammlungen los bin. Wenn der Querulant Plate dennoch ferner Anklagen und Proteste erhebt, soll er sie an die Regierung senden; diese läßt sicher sie ruhig und „ad Acta“ legen.

Seinen brutalen Charakter und die Gemeinheit seiner niederträchtigen Gesinnung behielt übrigens Plate bis zuletzt.

Schluss!

„Schwamm drüber“! ||

Dem großen Ereignisse der nächsten Wochen bei Euch sehen wir mit schönster Hoffnung und besten Wünschen entgegen!

Mit herzlichsten Grüßen

Euer Alter Papa

E. H.

Nochmals herzlichsten Dank für Eure fürstliche Gastfreundschaft in den 6 schönen Tagen, die wir bei Euch verleben konnten.

Das Getöse der 4 bevorstehenden Jubilaeums-Tage der Universität wird Euch am idyllischen Scheibenholz hoffentlich wenig berühren; der Glanz des Festes aber von bester Vorbedeutung für das erwartete Jubiläums-Kind (♂ oder ♀) sein!

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
25.07.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Unbekannt
ID
41392