Vollert, Max

Max Vollert an Ernst Haeckel, Jena, 26. April 1909

Hochverehrte Exzellenz!

Den Entwurf einer Vereinbarung über die Verwaltung des Phyletischen Museums, den mir Eure Exzellenz übergeben hatten, habe ich unserer Verabredung gemäss zunächst Herrn Professor Dr. Plate, der die Vereinbarung mit zu unterzeichnen haben würde, zur Äusserung vorgelegt. Ich habe darauf die beiliegende Erwiderung erhalten.

Wenn Eure Exzellenz dies wünschen, bin ich gern bereit mündlich darüber mit Ihnen Rücksprache zu nehmen und bitte um Angabe einer Stunde, zu der ich Sie in Ihrer Wohnung || antreffen würde.

In bekannter Verehrung

Euer Exzellenz

ergebenster

Vollert

Seiner Exzellenz | Herrn Wirklichen |Geheimen Rat Professor | Dr. Haeckel | hier

Hierzu: 2 Schriftstücke

[Beilage: Ludwig Plate an Max Vollert, Jena, 25. April 1909]

Abschrift

Jena, den 25. April 1909

Gutachten des Direktors des phyletischen Museums, Prof. L. Plate über die Vorschläge von Exzellenz Haeckel: „Bestimmungen über die Direktion des phyletischen Museums in Jena“

1.) Der erste Punkt dieser „Bestimmungen“ enthält nichts Neues, da Exc. Haeckel mir immer wieder mündlich und schriftlich versichert hat, daß er sich nur 3 Räume des phyletischen Museums vorbehalte, aber die ganze Direktion und Einrichtung des Museums in meine Hand lege. Sein erster Brief vom 17. Juni 1908, mit dem unsere Verhandlungen begannen, besagt: „Sie werden dann – als einziger und unbeschränkter Ordinarius der Zoologie und selbstständiger Direktor des zoologischen Instituts und des neuen phyletischen Museums – hier völlig freie Hand haben … Ich behalte mir nur vor die Benutzung einiger Räume im zweiten Stock des neuen phyletischen Museums“ (Unterstreichungen wie im Original)

Nachdem der Ruf an mich ergangen war habe || ich auf Grund unserer Verhandlungen Anfang Januar meinen Standpunkt in einem officiellen, mit der Bemerkung „für die Akten“ versehenen Schreiben festgelegt, worin es heißt: „Es wird mir eine große Freude sein, als Direktor des phyletischen Museums Ihnen die gewünschten drei Räume im Obergeschoß (Archiv, Bibliothek, und Arbeitszimmer) einzuräumen und das Museum mit Ihnen und nach Ihren Intentionen einrichten zu können.“

Darauf telegraphierte mir Exc. Haeckel am 11. Januar „alle Bedingungen angenommen“ und schrieb am 13/I: „Nachdem ich Ihnen telegrafisch und brieflich meine Zustimmung zu allen von Ihnen gestellten Bedingungen mitgeteilt, …“

Sein letzter Brief vom 20/III 09 lautet am Schluß:

„Ich wiederhole Ihnen meine Versicherung, daß ich die ganze Organisation mit vollem Vertrauen in Ihre Hände lege und meine eigenen Pläne stets Ihren besseren und praktisch bewährten unterordnen werde.“|

Es kann danach nicht zweifelhaft sein, daß Exc. Haeckel mich schon jetzt als Direktor des phyletischen Museums anerkennen muß und daß der §. 1. der Haeckel’schen Vorschläge daher überflüssig ist.

2.) Was den zweiten Punkt anbetrifft, so kann ich im Interesse des phyletischen Museums, in meinem eigenen Interesse und demjenigen meiner Amtsnachfolger nicht darauf eingehen, daß im phyletischen Museum eine Nebendirektion mit selbstständigen Verfügungsrechten über 3 Räume eingerichtet wird. Dazu liegt auch nicht der geringste Grund vor, denn es ist ganz selbstverständlich, daß jeder Direktor dieses Museums mit größter Pietät alle auf Ernst Haeckel sich beziehenden Gegenstände behandeln wird, und außerdem ist ja der jeweilige Curator der Universität in der Lage, nach dieser Richtung ein wachsames Auge zu haben. Sollte daher Exzellenz Haeckel irgend welche Bedenken haben, so will ich hiermit diese Verpflichtung pietätvoller Schonung für mich übernehmen und ihr eventuell in einem officiellen Schreiben Ausdruck verleihen, außerdem aber würde ich || Exc. Haeckel empfehlen, die Regierung zu ersuchen, den jeweiligen Kurator mit einem entsprechenden Sonderauftrag zu versehen. Die Anordnung der Gegenstände in den 3 zur Zeit von Exc. Haeckel benutzten Räumen und die Disposition über sie muß aber nach dem Ableben des letzteren unbedingt der jeweiligen Direktion des Museums vorbehalten bleiben, da man nicht vorhersehen kann, welche Anforderungen im Laufe der Zeiten an diese Räume im Interesse des Museums selbst und des zoologischen Studiums an unserer Universität gestellt werden müssen. Ich werde als Direktor des phyletischen Museums nie meine Zustimmung geben, das Entwicklungsprinzip von einem Teile des gerade dieses Museums auszuschließen, welches der Darstellung der Entwicklungslehre gewidmet ist.

Vorausgesetzt daß der literarische Nachlaß von Haeckel nicht schon dem Museum gehört, wie die übrigen in ihm befindlichen Gegenstände, so sollte er nach meiner Meinung jetzt überhaupt noch nicht dem Muse-||um übergeben werden, sondern in der Privatwohnung bleiben, bis über seine spätere Verwendung ein definitiver Beschluß vorliegt. Wird er jetzt dem Museum übergeben oder ist dies schon geschehen, so kann über ihn nur im Einverständnis mit der Direktion verfügt werden.

3.) Die beiden östlichen Giebelzimmer habe ich Exc. Haeckel zur Benutzung gern überlassen, so lange die übrigen Arbeitsräume des Museums noch nicht voll besetzt sind. Bei dem großen Raummangel des zoologischen Instituts geht es aber nicht an, daß von den 7 Arbeitszimmern des Museums Exc. Haeckel 4 für Lebzeiten in Beschlag legt, sondern er muß sich später eventuell mit den beiden vertragsmäßig von ihm ausbedungenen, neben dem Archiv gelegenen Räumen begnügen. Es wäre mir sehr lieb, wenn diese leidigen Competenzfragen recht bald erledigt würden, da ich die Vorarbeiten für das Museum jetzt abbrechen und nicht eher wieder in Angriff nehmen werde, als bis nach dieser Richtung völlige Klarheit geschaffen ist. || Exc. Haeckel muß die zwischen ihm und mir getroffenen Abmachungen, auf die hin ich meine sehr angenehme Stellung in Berlin aufgegeben und große persönliche Opfer gebracht habe, absolut anerkennen und einhalten. Sollte er die bindende Kraft unserer schriftlichen Verhandlungen nicht anerkennen, so würde ich zu meinem großen Bedauern gezwungen sein, die Einsetzung einer juristischen Commission zur Entscheidung dieser Frage zu fordern.

Hochachtungsvollst und ergebenst

Prof. L. Plate

An den Curator | der Universität | Herrn Staatsrat Dr. Vollert | Hochwohlgeb.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.04.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 41271
ID
41271