Ernst Haeckel an Hermann Allmers, Jena, 26. Dezember 1882
Jena, 26. Dezember 82.
Liebster Allmers!
Mit Deinem sinnigen „Römischen Wandkalender“ hast Du mir eine große Weihnachtsfreude bereitet, und ich danke Dir dafür recht herzlich.
Bald ist’s nun ein Vierteljahrhundert, seit ich fast gleichzeitig mit Dir (– aber leider, ohne etwas von Deiner Existenz zu ahnen! –) die ewige Stadt zuerst betrat. Wie schade, daß wir uns erst in Neapel und nicht bereits in Rom kennenlernten! Wieviel mehr hätte ich dadurch an Verständnis ihrer Bedeutung und vor allem ihrer Kunstschätze gewonnen! Schade, daß wir nicht im nächsten Jahre zusammen wieder hin können! ...
– Mein beabsichtigtes illustriertes Werk über Ceylon kommt leider nicht zustande, trotzdem das schönste artistische Material im Überfluß vorhanden ist, und trotzdem ich für mich kein Honorar beanspruche. Die besten Künstler dafür waren gewonnen, aber kein Verleger will die Kosten der Holzschnitte riskieren; ich habe mit mehr als ein Dutzend der ersten Verleger (in München, Stuttgart, Leipzig, Berlin, London) verhandelt, alles vergebens! Alle behaupten, für Ceylon interessiere sich kein Mensch. Einer bot mir dagegen an, ich solle ein illustriertes Werk über Thüringen schreiben; das wolle er gleich verlegen!
Mein Eisenacher Vortrag hat unerwartet viel Wirkung gehabt. Die bigotten Engländer sind außer sich über die „indiskrete“ Publikation von Darwin’s Brief; einige trösten sich damit, Darwin habe ihn „krank“ geschrieben! ... Anderseits bezeugen mir viele dankbare Briefe die gute Wirkung der Rede; ein alter Herr klopfte mir gleich nach derselben auf die Schulter und sagte: „Mein lieber Herr Professor, das war keine Rede, das war eine Tat!“ Man erlebt wunderliche Dinge!
Hoffentlich geht Dir’s recht gut! Zum neuen Jahre wünsche ich Dir alles Gute! Mit herzlichsten Grüßen, auch von meiner Frau, Dein treuer alter
E. Haeckel.