Ernst Haeckel an Ernst Reimer, Jena, 22. Juni 1868
Jena 22 Juni 68
Liebster Ernst!
Ich hatte in den letzten Wochen so alle Hände voll zu thun, theils mit dem Manuscript der Schöpfungsgeschichte, theils mit Universitäts-Geschäften, daß ich zu gar keinem Briefschreiben kam. Entschuldige daher, wenn ich erst heute antworte.
Wegen des schlechten Drucks der Holzschnitte habe ich Frommann gehörig gerüffelt, unter Vorzeigung der Flegelschen Muster. Er hat in Folge dessen feinere Druckerschwärze angeschafft und die Holzschnitte auf S. 244 und 248 sind in Folge dessen auch wirklich besser ausgefallen. Er meinte, es läge am Papier, wenn der Druck nicht noch feiner ausfiele. Zum Theil wird es auch wohl daran liegen, daß in der Frommannschen Druckerei seit 20 oder 30 Jahren keine Holzschnitte zum Druck gekommen sind. Mit den Holzstöcken Flegels bin ich sehr zufrieden. Sie sind ausgezeichnet. ||
Der Factor in der Druckerei sagte mir heute, daß das vorräthige Papier nur bis zum Drucke des 24sten Bogens (inclusive) reicht, und bittet Dich, für Nachsendung des Folgenden Sorge zu tragen. Es werden im ganzen 30, höchstens 31–32 Bogen werden. Vom zwölften Vortrage an habe ich das Manuscript gänzlich umgearbeitet und bedeutend vermehrt. Es kommen vom 12-18 Vortrag gerade die wichtigsten und interessantesten Kapitel, welche ich im Winter viel zu kurz abgehandelt hatte, und welche für das größere Publicum nothwendig specieller erläutert werden müssen. Daher werden diese Vorträge bedeutend länger als die vorhergehenden. Den 15. und 16. habe ich, damit sie nicht zu lang werden, in je 2 gespalten, so daß nunmehr die Gesammtzahl der Vorträge 20 betragen wird. Dazu kommt noch ein Anhang von etwa 2–3 Bogen. ||
Die Zahl der Stammbaumtafeln werde ich wahrscheinlich auf 5–6 beschränken (2 große und 4 kleinere. Sie sind bereits in Arbeit. Der Steindrucker läßt fragen, bis wann sämmtliche Tafeln fertig gedruckt sein müssen. Ferner läßt er Dich bitten, wegen des Papiers zu bestimmen, da er den Druck der Stammtafeln bald beginnen will.
Ich selbst möchte Euch fragen, ob Ihr nicht Lust habt, eine Enveloppe des Buchs in Farbendruck nach Art des beiliegenden Entwurfs drucken zu lassen, welche plastisch die Grundidee der ganzen Stammbaumslehre ausdrückt. Ich würde bei der Ausführung dafür sorgen, daß die Farben möglichst einfach stimmen, und daß der Druck nicht zu theuer kömmt. Bei populären Schriften hilft ein solcher Umschlag der die Aufmerksamkeit erregt, Viel. Das Titelbild, von dem ich ebenfalls den Entwurf beilege, möchte ich am || liebsten in Kupferstich ausgeführt haben. Es soll die gradweise abgestuften Physiognomien der Menschenrassen im Profil zeigen, zugleich mit der Abstufung der menschenähnlichsten Affen, und dabei kommt viel auf feine Ausführung an.
Bitte schicke mir beide Entwürfe bald zurück, da ich bald mit der Ausführung anfangen will.
Von dem Steindruck Fig. A-F folgt ein Probedruck bei.
Diese Tafel soll im Text zwischen 15. und 16. Bogen eingeheftet werden. Ist Euch das Papier, das der Lithograph dazu genommen hat, Recht?
Abgesehen von der etwas übermäßigen Arbeit in den letzten Wochen, die mich fast gar nicht zum Genuß des herrlichen Sommerwetters kommen ließ, geht es uns sehr gut. Agnes ist sehr frisch und munter und hat jetzt sehr wenig Beschwerden mehr. Sie und ich grüßen Euch alle herzlichst
Treulich
Dein
Ernst Haeckel