Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Jena, 4. Oktober 1902

Zoologisches Institut

der Universität Jena.

Jena

4. Octb. 1902.

Durchlauchtigster Herr Herzog!

Beifolgend beehre ich mich, Ew. Hoheit das siebente Heft meiner „Kunstformen“ zu übersenden, mit der ergebensten Bitte, zwei von den vier übersandten Exemplaren für Sich und Ihre hochverehrte Frau Gemahlin zu behalten, die beiden anderen an Exzellenz von Heim und Schulrath Schmidt abgeben zu lassen.

Durch Herrn Geh. Staatsrath Eggeling erfuhr ich neulich zu meiner Freude, daß Sie mit Ihren Sommer-Reisen und Ihrer Gesundheit zufrieden sind, und daß Sie jetzt in Altenstein die Herbstruhe genießen; leider ist das Wetter immer noch sehr rauh. ||

Meine sechswöchentliche Ferien-Reise war vom Wetter, trotz häufigen Wechsels, im Ganzen sehr begünstigt und hat mich durch den Wechsel mannichfaltiger Eindrücke sehr erfrischt. Zuerst folgte ich einer Einladung nach Essen zu Herrn Krupp, der trotz seiner enormen industriellen und socialen Thätigkeit noch Zeit findet, sich in seinen Mußestunden eifrig mit Zoologie und Descendenz-Theorie – und speciell mit Tiefsee-Fischerei – zu beschäftigen. Dann besuchte ich die Düsseldorfer Ausstellung und die Vulcane der Eifel, den „Heiligen Rock“ in Trier und die Vogesen, Bodensee und Allgäu. Darauf hatte ich noch einige schöne Wochen in Süd-Tyrol, zuletzt München. ||

Von Trient ging ich durch das Sarca-Thal hinauf nach Campiglio, über den Tonale-Pass in das Val Camonica (Dezzo-Thal, Iseo-See), dann über Brescia nach dem Garda-See. Das mitgenommene Skizzenbuch (50 Blätter) kam voll gefüllt zurück, so daß ich die Erinnerung an die vielen schönen Eindrücke (– wenn auch in sehr primitiver und flüchtiger Form –) festhalten konnte.

Vom 16. − 25. October werde ich noch Verwandte in Berlin und Leipzig besuchen. Am 27.10. beginnen die Vorlesungen, und damit der Winter-Cursus, für den ich ein reiches Arbeits-Programm vor mir habe. ||

Eingedenk des freundlichen Interesses, das Ew. Hoheit an meiner „Natürlichen Schöpfungsgeschichte“ nahmen, erlaube ich mir beifolgend zugleich die kürzlich erschienene zehnte Auflage (– zu beliebiger Verwendung) – zu überreichen. Auch lege ich eine so eben erschienene Broschüre meines Schülers Heinrich Schmidt (früher Lehrer in Steinach) über das „Biogenetische Grundgesetz“ bei, sowie eine Broschüre meines älteren Schülers W. Breitenbach über „Die Biologie im XIX. Jahrhundert“.

In aufrichtiger bekannter Verehrung, und mit der Bitte mich Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin bestens zu empfehlen,

Ihr ganz ergebener

Ernst Haeckel.

Brief Metadaten

ID
40140
Gattung
Brief ohne Umschlag
Institution von
Zoologisches Institut der Universität Jena
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
04.10.1902
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
Thür. Staatsarchiv Meiningen
Signatur
Hausarchiv, NL Helene von Heldburg, Nr. 1333
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen; Jena; 04.10.1902; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_40140