Ernst Haeckel an Bartholomäus von Carneri, Jena, 14. Juli 1878
Jena 14 Juli 78
Hochverehrter Herr und Freund!
Aus Ihren freundlichen Zeilen ersehe ich zu meiner großen Befriedigung, daß unsere psychologischen Grund-Anschauungen im Wesentlichen übereinstimmen. Auch ich halte das „Seelenleben“ (im weiteren Sinne!) von dem „organischen Leben“ für ganz untrennbar, und kann mir die Lebensthätigkeiten der Zellen, – resp. des Plasson – ohne Annahme psychischer Function – Empfindung, Wille – nicht denken. ||
Was den Instinct betrifft, so halte ich für das Wesentlichste dabei, daß psychische Vorstellungen und Willens-Bewegungen, die ursprünglich von den Vorfahren durch Anpassung allmählich erworben wurden, später durch Vererbung zu „angeborenen“ geworden sind.
Hoffentlich trägt das psychologische Werk, an dem Sie gegenwärtig arbeiten, wesentlich dazu bei, diese || einfachen monistischen Grund-Anschauungen von der „Psyche“ zu befestigen und zu verbreiten.
Indem ich diese Gelegenheit benutze, Ihnen meine aufrichtige Freude darüber auszusprechen, daß ich im März dieses Jahres das Vergnügen hatte, Ihre angenehme persönliche Bekanntschaft zu machen, bleibe ich hochachtungsvoll Ihr
ergebenster
Ernst Haeckel