Ernst Haeckel an Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen, Jena, 15. Januar 1907
Zoologisches Institut
der Universität Jena.
Jena 15. Januar 1907.
Durchlauchtigster Herr Herzog!
Als ich heute Vormittag unsern Herrn Curator, Exzellenz Eggeling aufsuchte, um mit ihm über unser projectirtes „Phylogenetisches Museum“ zu sprechen, begrüßte mich derselbe hocherfreut durch die eben erhaltene Mitteilung, daß Ew. Hoheit in hochherziger Weise beschlossen haben, zu dessen Gründung den Betrag von 20.000 Mk zu schenken. Ich finde keinen angemessenen Ausdruck für die Gefühle innigsten Dankes und höchster Freude über diese großartige Unterstützung meines Unternehmens, die demselben gewiß nicht nur direct, sondern auch indirect – als leuchtendes Beispiel für andere Gönner – in höchstem Maaße zu Statten kommen wird. ||
Da ich das Glück hatte bei wiederholten Besuchen Ew. Hoheit lebendiges Interesse für die höchsten Aufgaben der Kunst und Wissenschaft, Ihr tiefes Verständniß für deren kulturgeschichtlichen Wert kennen zu lernen, bin ich überzeugt, daß das neue „Phyletische (oder Phylogenetische) Museum“, wie es mir seit vielen Jahren vorschwebt, – als ein neues öffentliches Bildungsmittel – Ihren vollen Beifall finden wird. Kunst und Wissenschaft sollen darin vereinigt werden, um den Menschen der „Gott-Natur“ näher zu bringen und ihm deren verborgene (bisher nur wenigen Naturforschern bekannten) herrlichen Schönheiten zu enthüllen. ||
Die Ausführung meines lange vorbereiteten Unternehmens, dessen Grundzüge am 1. Januar d. J. definitiv formulirt und am 7. dem Herrn Curator mitgeteilt wurden, beginnt unter den günstigsten Auspicien. Der schöne Bauplatz für das neue Museums-Gebäude (östlich gegenüber dem heutigen Zoologischen Museum, an „der Pforte des Paradieses“ (von Jena!) ist bereits heute von dem Regierungsbaumeister Dittmar vermessen worden. Wir hoffen den Rohbau bis zum Herbst, die innere Einrichtung im Frühjahr 1908 fertig zu stellen, so daß die Übergabe des neuen Gebäudes an die Universität im Sommer 1908, bei Gelegenheit von deren 350jähriger Jubelfeier, stattfinden kann. ||
Gleichzeitig erlaube ich mir, Ew. Hoheit die so eben erschienenen Lieferungen IX. u. X. meiner „Wanderbilder“ (Nr. 25.−32.) zu überreichen; mit den folgenden beiden Lieferungen (Nr. 33.−40.) wird das Werk vorläufig abgeschlossen. Als „Curiosa“ lege ich 3 Exemplare der „Apotheose des Entwickelungs Gedankens“ bei; eines davon bitte ich gelegentlich Seiner Hoheit Prinz Ernst zu übermitteln.
Hoffentlich befinden sich Ew. Hoheit und Ihre hochverehrte Frau Gemahlin jetzt wieder ganz wohl. Indem ich Ihnen meine besten Glückwünsche für das begonnene Jahr 1907 ausspreche, bleibe ich in unwandelbarer Verehrung und wärmster Dankbarkeit
Ihr treu ergebener
Ernst Haeckel.