Ernst Haeckel an Friedrich Rolle, Jena, 30. September 1869

Jena 30 Sept 69

Hochgeehrter Herr College!

Erst gestern von einer zweimonatlichen Reise nach Norwegen zurückgekehrt, fand ich Ihren freundlichen Brief vom 7. August vor, welcher kurze Zeit nach meiner Abreise hier eingetroffen war. Ich beeile mich, denselben sofort zu beantworten, in der Hoffnung, daß es noch nicht zu spät sein wird, Ihr sehr gütiges Anerbieten betreffs der Petrefacten zu verwirklichen. Ich nehme dasselbe sehr dankbar an. Wie Sie wissen interessire ich a mich für Paläontologie mehr, als die meisten anderen Zoologen, und betrachte dieselbe als || einen höchst wichtigen Bestandtheil der Zoologie. Leider ist aber hier, wie gewöhnlich, die paläontologische Sammlung von der zoologischen getrennt und mit der mineralogischen vereinigt. Seit Jahren ist es mein lebhafter Wunsch, eine besondere paläontologische Sammlung, als Theil des zoologischen Museums zu begründen; aber bisher haben mir dazu immer Gelegenheit und Mittel gefehlt. Die Finanzverhältnisse in Jena sind äußerst dürftig.

So kommt mir denn Ihr gütiges Anerbieten, uns eine kleine Fossilien-||Sammlung zu verehren, äußerst erwünscht. Welche fossile Thiere für mich besonders wichtig sind, wissen Sie aus meiner Schöpfungsgeschichte. An vielen verschiedenen Species (z. B. von Schnecken und Muscheln) liegt mir natürlich viel weniger, als an möglichst divergenten typischen Formen.

Daß ich gern Ihnen alle Unkosten die Ihnen durch Verpackung etc. entstehen, vergüten werde, versteht sich von selbst. Bitte, schicken Sie die Kiste unfrankirt als Frachtgut unter der Adresse: An das zoologische Institut zu Jena (Station Apolda). ||

Für Ihr interessantes Schriftchen über das Hohelied danke ich Ihnen sehr. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen meinen Vortrag über „Arbeitstheilung“ geschickt habe, und füge daher denselben meiner vorläufigen Mittheilung über die Kalkschwämme bei, derenthalber ich jetzt die Reise nach Norwegen gemacht habe. Einige Ihnen vielleicht interessante Stellen in dem Schwamm-Aufsatz habe ich roth angestrichen (p. 234)

Mit wiederholtem Dank

und hochachtungsvollem Gruße

Ihr ergebenster

Haeckel.

P.S. Kann ich Ihnen b irgend einen zoologischen Wunsch erfüllen, thue ich dies selbstverständlich sehr gerne.

a gestr.: für; b gestr.: mit

Brief Metadaten

ID
40026
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach
Datierung
30.09.1869
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
Archiv der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt a. Main
Signatur
NL Rolle
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Rolle, Friedrich; Jena; 30.09.1869; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_40026