Jena 20.2.1895.
Hochverehrte Gnädige Frau!
Durch den freundlichen telegraphischen Glückwunsch zu meinem 61.sten Geburtstage, welchen Sie und Ihr Durchlauchtigster Herr Gemahl mir zu senden die Güte hatten, haben Sie mich sehr erfreut und ich danke Ihnen dafür herzlich. Ich hoffe in diesem neuen Lebensjahre, wenn die mir von Ihnen gewünschte Arbeitskraft sich erhält, meine dreibändige „Systematische Phylogenie“ zu beendigen – ein gewaltiges Stück schwerer Arbeit. ||
Der kleine „Umsturz-Artikel“ in der „Zukunft“, welchen ich am 2. Febr. Ihnen zu senden mir erlaubte, hat eine unverhältnismäßige Wirkung gehabt und mir ganze Stöße von telegraphischen und schriftlichen Zustimmungen eingetragen. Ich könnte nach dem Beispiele des Herrn von Stumm einen „öffentlichen Dank“ dafür drucken lassen.
Die talentvolle Wiener Dichterin, Fräulein E. delle Grazie, deren „Italische Vignetten“ ich Ihnen in Altenstein gab, hat ein zweibändiges episches Gedicht „Robespierre“ veröffentlicht, ein bewunderungswürdiges Product zehnjähriger Gedanken-Arbeit. ||
In der Hoffnung, daß Ihre Gesundheit, ebenso wie diejenige des Herrn Herzogs, wieder ganz hergestellt ist, bleibe ich mit besten Wünschen für Sie Beide, und mit wiederholtem herzlichen Dank
Ihr aufrichtig ergebener
Ernst Haeckel.