Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Helene Freifrau von Heldburg, Jena, 22. Februar 1894

Jena, den 22. Febr. 1894

Hochverehrte Gnädigste Frau!

Dem telegraphischen Dank für Ihren freundlichen Glückwunsch zu meinem 60.sten Geburtstage erlaube ich mir noch diese Zeilen folgen zu lassen, mit der Versicherung, daß Ihre und Ihres hohen Herrn Gemahls gütige Theilnahme an meinem erinnerungsreichen Ehrentage mir ganz besondere Freude bereitet hat. ||

Wie sehr Sie mich außerdem durch das gütige Geschenk des herrlichen Böcklin-Albums erfreut haben, kann ich Ihnen gar nicht sagen. Ich gehöre zu den aufrichtigen Bewunderern des großen Künstlers, sowohl was die geniale Dichtung seiner mährchenhaften Compositionen betrifft, als deren kühne Ausführung in gewaltiger Farben-Pracht. Wenn man Böcklins Bilder so genau und anhaltend studirt hat, wie ich, so zaubert auch das Album mit den Formen, den Licht- und Schatten-Massen, zugleich den ganzen Reiz der Farbe wieder hervor. ||

Die festlichen Veranstaltungen, welche meine Freunde und Schüler zur Feier des 16. Februar getroffen hatten, sind sehr glücklich abgelaufen. Einen gedruckten Bericht darüber erlaube ich mir Ihnen demnächst zu übersenden. Die wohlwollende Theilnahme weiter Kreise daran hat mich tief gerührt; sie übertraf alle unsere Erwartung. Unter den werthvollen Geschenken sind auch mehrere schöne Bilder; ein Bild von Gabriel Max: „Die Familie des tertiaeren Urmenschen“ (Pithecanthropus alalus) ist ganz wunderbar, und hoch interessant. ||

Unter den zahlreich eingetroffenen Glückwunsch-Telegrammen hat dasjenige des Herrn Herzogs ganz besonderen Jubel bei den Festgenossen erregt. Das Fest-Comité sprach den Wunsch aus, den Wortlaut desselben in die Festschrift mit aufzunehmen; ich glaubte dies aber discreter Weise ablehnen zu müssen. Für mich selbst und meine nächsten Freunde ist dieser Beweis der Hochschätzung von Seiten Ihres hohen Herrn Gemahls von unschätzbarem Werthe!

In der Hoffnung, daß Ihre Stimme und Ihre volle Gesundheit wieder ganz hergestellt ist, bleibe ich mit wiederholtem herzlichsten Danke

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
22.02.1894
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Thür. Staatsarchiv Meiningen
Signatur
Hausarchiv, NL Helene von Heldburg, Nr. 87
ID
39959