Ernst Haeckel an Helene Freifrau von Heldburg, Jena, 18. April 1893

Jena, 18. April 1893.

Hochverehrte Gnädige Frau!

Von unserer zweimonatlichen Reise nach Sicilien zurückgekehrt, fanden wir gestern unter vielen Briefen hier auch das Telegramm vor, durch welches Sie und Ihr Herr Gemahl am 16. Februar die Güte hatten mir einen Geburtstags-Glückwunsch zu senden. Derselbe traf um Mittag jenes Tages hier ein, wenige Stunden nachdem wir Jena verlassen hatten. Gestatten Sie mir, Ihnen noch nachträglich für Ihre freundliche Erinnerung meinen herzlichen Dank auszusprechen. ||

Zu meinem großen Bedauern war ich selbst am 2. April verhindert meine Absicht auszuführen und dem Herrn Herzog einen Glückwunsch zu seinem Geburtstage zu senden. Ich lag in diesen Tagen, wie ich Seiner Hoheit mitgetheilt habe, krank in Salerno. Auch meine Frau war gleichzeitig mit mir von der dort herrschenden Influenza-Epidemie ergriffen worden. Wir mußten schließlich froh sein, als wir endlich in der in voriger Woche die directe Rückreise nach Jena antreten konnten; den beabsichtigten längeren Aufenthalt in Rom und Neapel mußten wir aufgeben. ||

Auf solchen größeren Reisen halte ich immer an dem Grundsatze fest: zufrieden zu sein, wenn nur die größere Hälfte der Reise glücklich ausfällt. Und so war es auch diesmal der Fall.

Das Elend der drei letzten Wochen wird reichlich compensirt durch die vielen und hohen Genüsse, welche uns in den vorhergehenden fünf Wochen die Reise durch Sicilien gewährte. Goethes Wort: „Sicilien ist der Schlüssel zu Allem“ war uns stets gegenwärtig. Dabei hatten wir stets das herrlichste Frühlingswetter und waren auch sonst vom Glück sehr begünstigt. ||

Wie ich höre, war auch an der Riviera dieses Frühjahr sehr schön, und hoffe ich, daß Sie und Ihr Herr Gemahl dasselbe in dem schönen Cannes recht genossen haben; und daß keinerlei Unwohlsein Ihnen den Genuß getrübt hat. Bei uns in Thüringen entfaltet sich der Frühling, nachdem es endlich in den letzten Tagen etwas geregnet hat, herrlich; es ist jetzt hier grüner und frischer, als in der Umgebung von Rom und Neapel, wo die monatelange Trockenheit und das Ausbleiben der Frühjahrs-Regen die größten Besorgnisse für Garten- und Landbau hervorgerufen hat. – Mit verehrungsvollen Grüßen und besten Wünschen

Ihr dankbar ergebener

Ernst Haeckel.

Brief Metadaten

ID
39954
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
18.04.1893
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Besitzende Institution
Thür. Staatsarchiv Meiningen, Hausarchiv, NL Helene von Heldburg
Signatur
Nr. 87
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Heldburg, Helene Freifrau von; Jena; 18.04.1893; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_39954