Eduard Daelen an Ernst Haeckel, Düsseldorf, 22. August 1918

EDU DAELEN

COLUMBUSSTR. 20

FERNSPR. 6617

WERKSTATT

SITTARDSTR. 5

FERNSPR. 7543

DÜSSELDORF, 22.8.18.

Hochverehrter Meister!

In letzter Zeit habe ich wieder so viel Erfreuliches von Ihnen gehört und gelesen, daß ich mich gedrängt fühle trotz großer Überbürdung mit Arbeit, auch meinerseits zu versuchen, Ihnen eine kleine Freude zu bereiten wie es vielleicht beiliegende Gedankenspähne vermögen. Ich arbeite augenblicklich an einer Schrift, die mich sehr in Anspruch nimmt. Sie soll gewissermaßen ein Seitenstück zu meiner „Welt-Großmacht Presse“ vom vorigen Jahr bilden. Sobald sie in Druck vorliegt, werde ich mir erlauben, Ihnen ein Exemplar ein zu senden.

Mein innigstes Verlangen in diesem Jahre wieder mal das schöne Jena zu besuchen und Sie in Ihrem traulichen Heim begrüßen zu dürfen, werde ich wohl schwerlich erfüllt sehen. || Meine Freundin, Frau Lührmann-Lucas, wollte mich begleiten – aber wir sind noch für lange Zeit mit so dringenden Arbeiten beschäftigt, daß an Reisen gar nicht zu denken ist. Jedenfalls hoffe ich aber, daß auch dieses hohe Glück mir noch mal zu Teil wird.

Ihnen vor allem beste Gesundheit und Wohlergehen wünschend

Mit herzlichsten Grüßen

Ihr

ergebenster

Eduard Daelen

[Beilage]

Dunkeltum.

Im preußischen Ministerium

Da sitzt gar mancher Ochse.

Für ihn ist nicht einmal zu dumm

Der Cultus, der Orthodoxe.

Wie’s ihm gelehrt ward von Jugend auf

Schwört heut er noch auf die Bibel

Und was darinnen steht, hält er fest

Als a Dogma ganz infallibel.

Ja klingt auch so manches Erzählte darin

Verrückter noch als ein Märchen,

Bezweifelt werden darf doch sein Sinn

Nicht um das geringste Häärchen.

Zwar hat man auf der Universität

Studirt die Wissenschaften,

Doch blieb von ihrer Lehren Gold

Das mindeste nicht haften.

Man betet täglich zum lieben Gott,

Des Lebens Zweck zu erfassen,

Ist aber und bleibt sein Leben lang ||

Doch gänzlich gottverlassen.

Im preußischen Ministerium

Geht nächtlich ein Wispern und Munkeln:

Wie ist doch die Welt so entsetzlich dumm!

Wie sitzt sie gemächlich im Dunkeln! –

Vergleich.

Reinke gegen Haeckel –

O Scherz der Weltgeschichte!

Ein Floh im Pelz des Löwen

Eine Motte im Sonnenlichte.

a gestr.: Glauben

Brief Metadaten

ID
3991
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
22.08.1918
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
3
Format
14,0 x 22,0 cm; 14,3 x 22,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 3991
Beilagen
Gedichte
Zitiervorlage
Daelen, Eduard Adolf an Haeckel, Ernst; Düsseldorf; 22.08.1918; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_3991