Jena
12.6.1902.
Lieber Semon!
Es wird Sie freuen zu hören, daß die finanziellen Schwierigkeiten, betreffend die Vollendung der Herausgabe Ihres großen australischen Reisewerkes, jetzt glücklich gehoben sind. Nachdem die Regierung zur Deckung unserer Schulden bei Dr. G. Fischer der Med. Nat. Gesellsch. 4000 Mk bewilligt, hat derselbe sich bereit erklärt, das Werk ohne weitere Subvention unsererseitsa zu Ende führen zu wollen. Hoffentlich werden nun bald die letzten noch ausstehenden Beiträge fertig. ||
Sie hatten mir seinerzeit mehrere von Ihnen gesammelte Plankton-Proben zur Bearbeitung für Ihr Werk übergeben. Bei flüchtiger Durchsicht derselben fand ich damals nichts besonders Bemerkenswerthes. Sollten Sie die Bearbeitung derselben dennoch wünschen, so bitte ich mich zu beauftragen, sie einem jüngeren tüchtigen Planktologen zu übersenden. Ich selbst bin leider dazu nicht mehr fähig. Augen, Gedächtniß, Arbeitskraft nehmen rapide ab. ich merke, daß ich auch mit raschen Schritten der ominoesen Grenzschwelle derb 70 Jahre nähere!
Den Rest meiner Leistungsfähigkeit muß ich für allgemeine Aufgaben sparen. ||
Ein Brief von Ihnen, der Ende März (?), während ich in Berlin war, hier angekommen sein soll, ist nebst einigen anderen (beim Umräumen meines Arbeitszimmers) verlegt worden (zwischen Broschüren gerathen?) und nicht in meine Hände gelangt; hoffentlich hat nichts Wichtiges darin gestanden. –
Die X. Auflage Aufl. der „Nat. Schöpfungsg.“ wird Ihnen dieser Tage von Berlin aus zugehen.
Vorige Woche war hier die Hochzeit von Marie Müller und Alfred Lorenz (Sohn des Historikers, Kapellmeister in Bayreuth u. Gotha).
Mit freundlichen Grüßen an Sie und Ihre liebe Frau
Ihr alter
E. Haeckel.
a eingefügt: unsererseits; b eingefügt: der