Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Karl Haeckel, [Merseburg], 8.-10. Dezember 1851

Montag 8/12 1851

Lieber Bruder!

Ich muß Dir armen, examenbedrückten, trostbedürftigen nun auch einen herzlichen Gruß schicken, obwohl ich mich in gleichem Falle befinde. Ich habe vorgestern die Ilias vollendet; nachdem ich in etwa 14 Tagen die 10 letzten Bücher gelesen; ich las dabei zuletzt in der Stunde 200–300 Verse, als ich von meinem Stubengenossen die Crusiussche Ausgabe geborgt hatte. Geschichte treibe ich jetzt nur a sehr wenig, da ich sie mir bis Weihnachten aufspare. Ich will dann bei euch nur Jahreszahlen auswendig lernen und in Tacitus Annalen lesen, der mir sehr gefällt. Die Botanik schläft jetzt gänzlich; dagegen treibe ich zuweilen etwas Chemie. So machten ich und Weiß gestern mehrere Experimente mit Sauerstoff, die sehr schön ausfielen. Mit prächtig sprühenden Funken verbrannte darin Eisendraht, und b verbrennender Phosphor verbreitete ein Licht, das fast das Sonnenlicht an Intensität erreichte. In der Schule haben wir jetzt bei Buchbinder etwas Geognosie und Geologie, die mich gleichfalls sehr interessirt. Ich freue mich sehr, in Jena allen diesen Disciplinen mich hingeben zu können. –

Papa grüße recht herzlich, auch deine Freunde, die ich mich gleichfalls zu Weihnachten wiederzusehen sehr freue. (Was machen denn die Kammern)?

Immer Dein alter Paucker Ernst ||

Hrn.

Oberregierungsrath a/D Haeckel

zu

Berlin

Schifferstrasse No. 6.

a gestr.: noch; b gestr.: Pi

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.12.1851
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Berlin
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 39761
ID
39761