Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Ernst Ehlers, Jena, 23. September 1893

Jena | 23. Septb. 93

Lieber Ehlers!

Vorgestern ist der Proceß den unser lieber Freund u. College Hamann gegen mich angestrengt hatte, vor dem hiesigen Schöffen-Gericht nach 6stündiger Verhandlung entschieden worden, zugleich mit meiner durch ihn provocirten Gegenklage. Beide Gegner waren persönlich anwesend u. wurden der „Beleidigung“ für schuldig erklärt, ich zu 200, Hamann zu 30 Mk Strafe, außerdem Vernichtung der incriminirten Stellen. Meine Freunde und ich sind mit dem Ausgange ganz zufrieden. || Moralisch wurde ich völlig gerechtfertigt, Hamann vernichtet. Der elende Schuft fing sich in seinem eigenen Lügengewebe u. verwickelte sich ebenso in Widersprüche, wie in seinen Schriften. Mehrere Lügen wurden unmittelbar durch seine eigenen früheren Briefe widerlegt, die er ganz vergessen zu haben schien. In mehreren dieser Briefe beklagt er sich bitter über die ihn in Göttingen – besonders auch von Ihnen – wiederfahrene [!] schlechte Behandlung! Trotzdem versicherte er, er werde doch || Ostern 1894 nach Göttingen wo er 1500 Mk Gehalt beziehe, zurückkehren und seine „Professur der Zoologie“ wieder aufnehmen! Nebenbei entpuppte er sich (durch einen Brief des ultrakatholischen Renegaten Dr. Franz Schnürer!) als „geschätzter Mitarbeiter“ a eines notorischen Jesuiten Blattes. Die schamlose Frechheit, mit der er das Alles anhören mußte, – und trotzdem soweit möglich bestritt! – war wirklich erstaunlich. Ich habe eine solche Niederträchtigkeit nicht für möglich gehalten. || Näheres werden Sie durch die Zeitungen erfahren!

Mit freundlichen Grüßen

Ihr alter

Ernst Haeckel

a gestr.: an

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.09.1893
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
SUB Göttingen, Handschriften und Nachlässe
Signatur
Cod. Ms. E. Ehlers 661 (7)
ID
39675