ZOOLOGISCHES INSTITUT
DER UNIVERSITÄT JENA.
Jena 13. Januar 1908.
Sehr geehrter Herr Doktor!
In den vier Wochen, welche seit Ihrem Besuche in Jena, 1m 17.12. vorigen Jahres, verflossen sind, habe ich zahlreiche, auf die jetzige Lage des „Deutschen Monistenbundes“ bezügliche Zuschriften erhalten, und auch in mündlichem Gedanken-Austausch sie gründlich erwogen. Ich habe dadurch die Überzeugung gewonnen, daß meine Stellung als „Ehrenpräsident“ des Bundes, die mir vor zwei Jahren bei dessen Gründung übertragen wurde, ihm nicht länger von Nutzen sein kann und habe mich in Folge dessen entschlossen, dieselbe niederzulegen. ||
Die Hoffnungen, welche meine Schüler und Anhänger damals bei Gründung des Bundes hegten, sind leider großenteils nicht in Erfüllung gegangen, Die angesehenen Vertreter der Wissenschaft und die einflußreichen Gesinnungsgenossen, auf deren Mitwirkung wir gerechnet hatten, halten sich meistens vom Bunde fern. Dagegen hat der bekannte deutsche Partikularismus und die Uneinigkeit in Bezug auf theoretische Fragen zu einer bedauerlichen Zersplitterung der Kräfte geführt. Vielfach ist auch die Ansicht vertreten, daß gerade meine persönliche Auffassung des Monismus dem Bunde eher hinderlich als nützlich sei. ||
Zudem haben sich seit der Auflösung der früheren Verfassung (im September 1907) vier verschiedene Gruppen gebildet (in Berlin, München, Stuttgart und Jena), von denen Jede Anspruch auf meine Unterstützung erhebt. Ich bin ganz außer Stande, diesen widersprechenden Wünschen und Bestrebungen gerecht zu werden.
Zu diesen inneren Gründen meines Rücktrittes gesellen sich noch verschiedene äußere Motive: meine abnehmende Gesundheit (bei bald 74 Jahren), meine Überladung mit dringenden Arbeiten u. A. Unter diesen Umständen muß ich auch die umfangreiche und zeitraubende Korrespondenz für den Monistenbund ganz aufgeben. ||
Ich muß Sie daher ersuchen, sowohl bei Ihrem jetzt zu veröffentlichenden „Aufrufe“, als bei allen weiteren Publikationen des „Deutschen Monistenbundes“ von meiner Person und meiner Mitwirkung ganz abzusehen. Daß ich trotzdem den Bestrebungen des Bundes und seinem Gedeihen meine volle Teilnahme bewahre, brauche ich nicht zu versichern.
Mit besten Wünschen für weitere günstige Entwicklung des Bundes
Hochachtungsvoll
Ihr ergebener
Ernst Haeckel.