Leonhard Schultze an Ernst Haeckel, Mafikeng, 8. Februar 1905

Mafeking, den 8 Fe-

bruar 1905.

Hochverehrter Herr Professor!

Ihr Brief vom 14ten November 1904, den ich eben erhielt, hat mich hoch erfreut, um so mehr als der von Ihren erwähnten Brief vom Mai, nach Swakopmund adressiert, nicht in meine Hände gelangt ist.

Daß der 70te Geburtstag, wie der vor 10 Jahren gefeierte spurlos an Ihnen vorüber-||gezogen ist, daß Sie in alter Arbeitsfrische nicht nur vom Schreibtisch sondern auch vom Katheder weiter schaffen, hat die freundlichste Erinnerung an mein bescheidenes Zusammenarbeiten mit Ihnen und die ebenso frohe Erwartung, es in gewohnter Weise wieder aufzunehmen, in mir wachgerufen. Ich freue mich mit Ihnen über den großen Erfolg Ihrer „Lebenswunder“. Welche Fragen mögen Sie in dieses Gebiet mit || dem endlosen Horizont gefaßt haben? Ich bin aufs Äußerste gespannt, das Werk bei Dendy in Kapstadt zu sehen. Mit ihm zusammen will ich am 16ten auf Ihre Gesundheit trinken, daß Sie wie bisher so herrlich „halb invalide“ (wie Sie schreiben) bleiben!

Der Gedanke der Heimkehr, der in den ersten 2 Jahren meiner Abwesenheit nur selten und fern aufttauchte, rückt jetzt immer näher. Ob ich mit meinen Resultaten zufrieden bin, fragen Sie. Ich darf es bejahen, auch wenn ich || sie im Einzelnen erst zu Haus übersehen kann. Freilich hat der Krieg manchen Punkt meines Programms umgestoßen, und es ist ein gewaltiger Unterschied, ob Sie im deutschen Gebiet, vom Gouvernement nach jeder Richtung unterstützt und vertraut mit den Eingeborenen arbeiten, wie ich es anfangs konnte, oder ob Sie über die Grenze gehen und als Fremdling allein, im Unbekannten Wege u. Mittel suchen. Aber ich bin auf diese Weise tiefer in’s Innere || gekommen als ich anfangs vorhatte. Nach 3 ½-monatlicher Reise im Ochsenwagen bin ich soeben aus der Kalahari zurückgekommen, Lehututu war mein Endpunkt. Weiter westwärts in deutsches Gebiet durchzugehen, wäre möglich gewesen (da einige Pfannen Wasser hatten) wenn nicht Hereros und Hottentotten die Grenze gefährdeten. Von meiner Wanderung über die große südafrikanische Hochebene, von meinem Sammeln und Jagen u. meinen Begegnungen mit dem interessantesten Säugethier der Kalahari, dem || Buschmann, will ich Ihnen mündlich erzählen. Ich bin gesund aus Allem hervorgegangen, etwas schmal wird man wohl, aber zu klagen habe ich nichts. Nun fange ich an, an die Vertheilung u. Bearbeitung meiner Sammlungen zu denken. Ich lasse absichtlich nichts im Druck erscheinen ehe ich zurück bin. Ehe ich komme will ich alle Steine beisammen haben; der eine behaut sie gleich draußen im Steinbruch, der andere, so ich, zu Haus. Bevor || ich bestimmt den Termin der Rückreisea angeben kann, will ich mich in Swacopmund persönlich über die Lage der Dinge im Schutzgebiet orientieren. Wenn möglich möchte ich im Namaland noch einige Studien zu Ende führen. Ein Urlaubsgesuch für das Sommersemester habe ich nicht eingereicht; wenn ich im Laufe des Sommers komme, ist es wohl entbehrlich. Nur Sie, hochverehrter Herr Professor, möchte ich bitten, wenn meine Arbeit mich hier noch hält, noch einmal vom Practi-||cum mich zu dispensieren. Sobald ich klar sehe, schreibe ich. Einstweilen grüßt Sie herzlichst

Ihr Ihnen treu ergebener

L. Schultze.

Bitte wollen Sie Ihrer Frau Gemahlin meinen ehrerbietigen Gruß bestellen. Hoffentlich hat sie unseren nassen, schmutzigen Winter gut überstanden.

Meinen besten Gruß an Pohle, der ist einer Ihrer Treuen. Frau Pohle grüße ich auch bestens.

a eingef.: den Termin der Rückreise

Brief Metadaten

ID
39278
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Südafrika
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsch-Südwestafrika
Datierung
08.02.1905
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
12,6 x 20,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39278
Zitiervorlage
Schultze, Leo an Haeckel, Ernst; Mafikeng; 08.02.1905; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_39278