Jena
11.1.1897.
Lieber Herr Doctor!
Für Ihren Brief, der mich sehr interessirt u. erfreut hat, danke ich Ihnen bestens; ich wünsche Ihren zoologischen u. anthropologischen Studien in Neapel besten Fortgang u. Erfolg! In circa 4 Wochen hoffe ich Sie dort persönlich begrüssen zu können. Ich reise am 1. Februar hier ab, bringe Frau u. Tochter für 2 Monate an die Riviera (San Remo) u. gehe dann direct nach Messina, um dort 5-6 Wochen Plankton-Studien zu treiben. ||
Natürlich wird es mich sehr freuen, wenn Sie an diesen Theil nehmen wollen, und wenn ich persönlich Sie, als meinen Lieblings-Schüler, in die unvergleichliche Wunderwelt von Messina einführen kann. Der Aufschluß, welchen kürzlich Grassi (in der Novbr. Nr. des Quarter Journal [of] Microscopical Science) über die aufsteigenden Tiefsee-Ströme derselben gab, hat mich höchlichst interessirt; ich habe mir das längsta gedacht.
Letzten Freitag (8.1.) habe ich darüber u. über die „Fortpflanzung u. Wanderung des Aaals“ einen Vortrag in unserer Medicinischen Naturforschenden Gesellschaft gehalten. ||
Vielleicht kommen Sie gleich mit mir von Neapel nach Messina? Ich denke in Napoli nur ein paar Tage (wahrscheinlich zwischen 8.,b 10.-12. Februar) zu bleiben. Für Medusen, Siphonophoren etc finden Sie in Messina ungleich mehr.
Ihr lieber Vater, den ich vor einigen Tagen sprach, ist ganz einverstanden.
Wo wohnen Sie in Neapel? Und können Sie mir nahebei ein bescheidenes Zimmer für einige Tage empfehlen?
Wenn Prof. Ruge aus Amsterdam ( – ein treuer alter Schüler von mir – ) schon in Neapel ist, grüßen Sie ihn bestens, ebenso seine liebenswürdige Frau Ernestine! Die „weltberühmte“ Stazione meines „dankbaren“ Schülers Dohrn betrete ich natürlich nicht! ||
Heute Abend ist Abschiedsfest für meinen Neffen Heinrich, der als Chefarzt des Krankenhauses Bethanien nach Stettin geht; eine sehr gute Stellung! Wir verlieren ihn sehr ungern.
Mit besten Grüßen
Ihr alter Schulmeister
Ernst Haeckel.
a gestr.: gleich, eingef.: längst; b eingef.: zwischen 8.,