Ernst Haeckel an Leonhard Schultze, Jena, 22. Mai 1900

Jena 22.5.1900

Lieber Herr Doctor!

Aus Ihrem lieben Briefe ersehe ich mit Freuden, daß Sie wieder ganz hergestellt u. in vollem Genusse der unvergleichlichen pelagischen Fauna von Messina sind. Hoffentlich kehren Sie voll befriedigt heim. Inzwischen sind wir hier mit Anzeige der Vorlesungen für nächsten Winter beschäftigt; am 30. dieses Monats sollen die Anzeigen eingereicht werden. Nach Berathung mit Herrn Prof. Ziegler haben wir beschlossen, daß derselbe „Zoologie (Übersicht des Systems)“ 5 stündig ankündigt (Mo.-Fr. 12.-1) und daß derselbe Ihnen die gleiche Stunde für Sonnabend frei läßt; Sie könnten entweder Protozoen oder Coelenteraten – als Ergänzung – lesen, auf die er dann verzichtet. ||

Ferner könnten Sie mit Prof. Ziegler zusammen als I. Assistent das Practicum leiten, während Herr Dr. Gross (der vor 14 Tagen „cum laude“ a promovirt hat) als II. Assistent im großen Practicum thätig sein würde. Diese zeitraubende Aufgabe möchten wir Ihnen sparen, da die Ausführung Ihrer Arbeit jedenfalls erwünscht scheinen läßt, möglichst viel Zeit dafür zu verwenden. Wie nehmen dabei b an, daß Sie die geplante Reise nach dem Rothen Meer um ein Jahr verschieben und so lange Ihre Assistenten-Stelle nebst Wohnung beibehalten. (Auch Verworn billigt diesen Aufschub). Sollten Sie dagegen, um ganz frei zu sein, die Stelle zum I. October aufgeben, und schon nächsten Weihnachten || nach dem Rothen Meer reisen wollen ( – was wir mit Rücksicht auf Ihre Arbeit, und auf die ganz verschiedenen neuen Eindrücke des Orients nicht für zweckmäßig halten – ), so müßte ich dann Dr. Gross als I. Assistent anstellen und ihm die Wohnung geben. Im großen Laboratorium giebt es dies Semester Viel zu thun, da 10 Herren (darunter 2 Engländer) belegt haben. In meinem Cursus sind nun 15 Leute, im Colleg 50; auch sonst weniger Mediciner als 1899. – Ich selbst werde im Catalog keine Vorlesungen ankündigen, sondern meine „Forschungsc-Reise“ (mit Urlaub der Regierung) mittheilen; sie ist auch schon durch die Zeitungen verbreitet. ||

Ich reise – wie gewöhnlich – allein, um meine volle Freiheit in Bezug auf Aufenthalt u. Thätigkeit zu wahren. Große Extra-Touren will ich nicht machen, sondern den größten Theil der Zeit in Java (Buitenzorg) und Celebes (oder einer anderen Molukken Insel) zubringen. Specielle Zoologische Untersuchungen beabsichtige ich nicht, wohl aber viel Zeichnen für die „Kunstformen der Natur“ etc. – Ich werde wohl erst im October fortkommen. Meine Frau, der es jetzt endlich (nach 3 monatlicher Krankheit) besser geht, will den Winter mit unserer Tochter womöglich an der Riviera zubringen. –

Wegen der Vorlesungen bitte ich um baldige Antwort, resp. Einsendung Ihrer Anzeige. Pfingsten werde ich in München sein, um mit Selenka und Semon über die Molukken zu sprechen.

Mit freundlichen Grüßen (auch an die Amici Messinesi e lo Laboratoria Zool.)

Ihr alter E. Haeckel. |

Was machen die Excursionen u. Aquarelle?d ||

Wann denken Sie zurückzukehren?e

a gestr.: ); b gestr.: A; c gestr.: Java, eingef.: Forschungs; d Erster Nachsatz („Was […] Aquarelle”) vertikal am linken Rand von Seite 4; e Zweiter Nachsatz („Wann […] zurückzukehren?“) vertikal linken Rand von Seite 1

Brief Metadaten

ID
39234
Gattung
Brief mit Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Zielort
Zielland
Italien
Datierung
22.05.1900
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
22,0 x 27,8 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39234
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Schultze, Leo; Jena; 22.05.1900; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_39234