Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Agnes Haeckel, Bergen, 18. August 1869

Bergen Mittwoch 18. August 69

Abends

Liebste beste Frau!

Endlich ist Dein wandernder und umherirrender Mann heute Nachmittag 4 Uhr glücklich in den Hafen von Bergen eingelaufen und somit an dem Ziele seiner Nordfahrt angelangt. Mein erster Gang hier, gleich nach der Ankunft, war zu Herrn Thesen und auf die Post, wo ich die sehnsüchtigst erwarteten Briefe von Dir und von den Eltern vorfand. Du kannst kaum denken, mit welcher langer Sehnsucht ich diesen Nachrichten entgegen sah, da mir die 3 Wochen seit unserer Trennung länger als 3 Monate, ja bald wie 3 Jahre vorkommen. Wenn man so einsam in fremdem Lande reist, und so mancherlei neue eigenthümliche Eindrücke empfängt, dehnt sich die Zeit sehr, sehr lang aus, seit welcher man die gewohnten lieben Verhältnisse der Heimath entbehrt. ||

Außer Deinem lieben, hieher an Herrn Thesen gesendeten Briefe, habe ich auch den nach Christiania geschickten, welcher erst 3 Tage nach meiner Abreise dort ankam, hier richtig durch die Post erhalten. Nun ich bin sehr froh, mein süßes liebes Frauchen, daß die Nachrichten so gut lauten, daß es Dir so viel besser geht und auch unser süßes Puttichen sich wohl befindet. Nur daß er den Husten noch immer nicht verloren hat, will mir gar nicht gefallen. Nimm das süße Tierchen nur ja recht in Acht bei dem schlechten kalten Wetter. Sollte der Husten immer noch nicht weggehn, so laß ihn doch noch nicht impfen, so sehr ich auch wünschte, daß er vor der Reise nach Berlin geimpft würde. Nun, wenn ich Euch dort wieder sehe, seid Ihr Beide hoffentlich ganz munter! ||

Wie mir mein Bruder schreibt, wird seine Hochzeit schon am 18. September stattfinden. Ich werde also spätestens am 17. oder 16. in Berlin eintreffen und bis dahin suchen, mit meinen Schwämmen fertig zu werden. Ich bleibea nun hier und fahre direct per Dampfer von hier nach Hamburg. Mit dem Unterkommen hier scheine ich es recht gut getroffen zu haben. Ich wohne nämlich bei einem deutschen Sattler Rohdeb aus Stettin, vortrefflichen liebenswürdigen Leuten, an die ich aus c Hamburgd empfohlen bin. Addressire daher Deinen nächsten Brief: Herrn Professor Haeckel p. Adr. Herr Sadelmaker Rohde. Pundersmugete. Bergen (Norwegen).

‒ Beifolgende 2 Tagebuchblätter schicke nach Berlin, nachdem Du sie den Deinigen und Gegenbaur mitgetheilt hast. Ich schreibe heute auch noch an die Eltern. ||

Die ankommenden Briefe kannst Du selbstverständlich Alle öffnen. Scheint Dir eine baldige Antwort erforderlich, so gieb sie an Gegenbaur. Sobald dief Abdrücke der Schwamm-Arbeit kommen, schicke mir unter Kreuzband 4–6 derselben her, und schicke auch ein Exemplar nach Petersburg poste restante, an Herrn von Miklucho-Maclay. ‒ Daß Leich so dumme Streiche macht, ist mir sehr ärgerlich. Es wird wohl nicht lange mit ihnen dauern. Sehr erfreut bin ich, daß es Gegenbaur’s g Frau so viel besser geht. Grüße ihn und Sie herzlichst. Ich werde in nächster Tage auch an ihn schreiben, ebenso auch an Dr. Kleienberg. Ich schließe heute, damit der Brief noch mit dem morgen früh abgehenden Hamburger Dampfschiff fortkommt.

Herzlichste Grüße und Küsse, liebste süße Agnes, von

Deinem treuen Ernst.

Meinen Brief aus Laerdal hast Du doch erhalten? An die liebe Mamma und Clärchen die herzlichsten Grüße.h

a korr. aus: fahre; b korr. aus: Rhode; c gestr.: Stettin; d eingef. mit Einfügungszeichen: Hamburg; e irrtüml.: Pundesmuget; f korr. aus: der; g gestr.: s; h Text weiter am Rand von S. 4: An … Grüße.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.08.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 39022
ID
39022