Jena 1 Novbr 85
Liebste Mutter!
Zu meinem großen Bedauern höre ich durch Carl, daß Du in der Küche gefallen bist! Hoffentlich hat Dir der Fall Nichts geschadet und [Du] bist wieder ganz wohl! Aber nimm Dich doch in Acht, meine liebe Alte, und laß in Deinem 87sten Jahre Andere für Dich wirtschaften! Du hast wahrlich mehr als genug in diesem Leben gethan! Und vor Allem iß und trinke ordentlich! Hörst Du? Bitte! Bitte! ||
Agnes läßt Dich und Carl sowie Tante Bertha, für die guten Geburtstags-Wünsche herzlich danken! Sie wird nächstens selbst schreiben. Leider ist sie noch recht angegriffen. Das schmerzhafte Krankenlager von 4 Wochen hat ihre Kräfte recht mitgenommen; dazu ist auch der Magen schwach, und a sie ist sehr muthlos, um so mehr, da der Sommer verhältnißmäßig gut war! Sie wird aber das alte Nierenleiden wohl nie ganz los werden. || Seit einigen Tagen geht sie täglich ¼ Stunde in den Garten. Es geht aber mit den Kräften recht langsam vorwärts! Man muß aber Geduld haben! –
Seit 8 Tagen haben die Vorlesungen wieder begonnen. Der Besuch scheint ungefähr dem vorigen Winter gleich zu kommen, also mäßig! Bei mir scheinen etwas weniger zu sein. Ich fange also mein fünfzigstes Semester in recht bescheidener Stimmung an, mit Resignations-Betrachtungen! || Wegen der Westphalia darfst Du Dir keine Sorgen mehr machen, das ist ganz meine Sache! Bitte also, gar nicht mehr an diese hoffnungsvolle Geschäfts-Sache zu denken! –
Von Walter haben wir recht gute Nachrichten. Er und Emma danken Dir schönstens für die Bücher, die ich ihnen in Deinem Namen geschenkt habe!
– Die beiden Mädels sind recht munter. Alle grüßen herzlichst! Ebenso Dein
alter treuer Ernst
a gestr.: der