Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Ilmenau, 8. August 1878

Ilmenau 8 Aug 78

Liebste Mutter!

Es thut mir ungemein Leid, daß Du wieder krank bist und an der unangenehmen Gürtel-Rose so viel Schmerzen zu leiden hast. Glücklicher Weise ist die Krankheit nicht gefährlich und geht rasch vorüber, so daß ich bald von Deiner völligen Genesung zu hören hoffe. Wenn Du es wünschst, komme ich noch vor meiner Reise auf einige Tage nach Potsdam. Sonst wäre es mir lieber – wegen der Jahreszeit und der Einrichtungen für die zoolog. Untersuchungen – Dich später, vielleicht Ende October zu besuchen. ||

Die letzte Zeit in Jena war sehr unruhig, da ich für reichliche Lithographen-Arbeit für die Zeit meiner Abwesenheit zu sorgen hatte. Auch hier mache ich noch Radiolarien Tafeln.

Montag. (5 August) fuhren wir (Carl, Agnes, Walter, Lisbeth und ich) in 7 Stunden von Jena hierher (von 8 – 3 Uhr). Bis Arnstadt (über Erfurt) per Bahn, von da in 3 Stunden per Wagen hierher; bei sehr schönem Wetter. Hier haben wir ein ganz reizendes und höchst befriedigendes Unterkommen gefunden, || in Korbs’ Mühle, dem schönsten Punkte von Ilmenau. Die Mühle liegt höchst idyllisch im „Hammer-Grund“, am Fuße des „Gickelhahn“, Goethe’s Lieblingsberg; sie ist das beste Haus im Orte, ganz auf grüner Wiese, am rauschenden reizenden Ilmbach, der vor unseren Fenstern schäumend über ein malerisches, mit großem Huflattig bewachsenes Wehr stürzt; gegenüber fichtenbewachsene Bergwand; rechts Blick in die Tiefe des Grunds, darüber der Kammerberg. Die Wirthsleute sind sehr freundlich, Verpflegung vortrefflich, so daß auch Agnes sehr zufrieden und heiter ist; die Kinder sind glückselig, und springen wie Lämmer herum. ||

Am Dienstag machten wir eine sehr hübsche Fuß Tour auf den Gickelhahn (2600 Fuß) wo das Goethe-Häuschen ist – überhaupt viele und sehr interessante Goethe-Reminiscenzen. Nächsten Montag oder Dienstag denke ich nach Paris zu reisen von da nach der Normandie.

Agnes und die Kinder grüßen herzlich.

Mit besten Wünschen für baldige volle Genesung

Dein treuer Ernst.

Brief Metadaten

ID
38822
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
08.08.1878
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38822
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Charlotte; Ilmenau; 08.08.1878; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_38822