Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Merseburg, 7. Februar 1852

Merseburg den 7/2 1852

Sonnabend Mittag

Liebste Ältern!

Ich habe bis heute immer gedacht, wir würden noch etwas näheres von den Examen-Arbeiten hören und deßhalb mit dem Briefe gewartet. Dieß ist nun zwar nicht geschehen, weil die Lehrer mit dem Corrigiren von den 11 x 6 = 66 Arbeiten noch nicht fertig sind; aber ich habe durch Osterwald erfahren, daß meine 6 Arbeiten alle wenigstens genügend sind. Die deutsche, von der ich dachte sie würde recht schlecht geworden sein, ist „vollkommen genügend“ und auch die lateinische, vor der wir uns am Meisten gefürchtet hatten, ist gut. Mit meinem Knie geht es leidlich, jedoch ist es noch immer nicht wieder im alten Stand. Ich habe schon fast eine ganze Flasche Leberthran gebraucht. Übrigens habe ich diese Woche viel gefaullenzt, und recht, recht viel an euch gedacht, und mich auf Ostern gefreut. Daß ihr Papas Jubiläum so nett gefeiert, hat mich recht gefreut; ich habe wohl recht viel an euch gedacht und hätte auch gewiß geschrieben, wenn wir nicht grade in den verwünschten Arbeiten drinn gesessen hätten, die einem nichts andres als lateinisches denken, sprechen, lesen und schreiben ließen. Möge mein lieber Herzensvater noch recht oft zu unsrer Freude diesen Tag erleben! –

Zu Richters Verlobung gratulire ich von Herzen. Als ich a sie Wieck mittheilte, sagte dieser ganz verwundert: I, der Sapperloter hat sich ja hier davon gar nichts merken lassen. – ||

Daß ihr auf der Auction die schönen Wasserfall-Landschaften nicht gekriegt, ist recht schade. Wer hat sie denn bekommen? Die andern beiden Bilder könnt ihr mir recht bald einmal schicken, bei Gelegenheit! Da ich sie ja doch mit nach Jena nehme. Dann kannst

Du mir auch, liebe Mutter, die letzte Buchhändlerrechnung mitschicken, wenn Du sie nämlich noch hast, und wenn darauf unten ein Stück botanische Zeitung quittirt steht, von der der Buchhändler behauptet, sie wäre noch nicht bezahlt. –

Nun habe ich noch eine Bitte an Dich, lieber Karl: wie Du aus dem vorigen Brief weißt, wollten wir 4 Pensionäre Osterwald zu seinem Geburtstag „Reinecke Fuchs von Göthe mit Kaulbachschen Kupferstichen“ b schenken. Nun behauptet der hiesige Buchhändler, c die Auflage sei vergriffen, kann aber wohl wegen seines geringen Kredits kein Exemplar schaffen; (oder sie ist bloß in Leipzig vergriffen). Nun d lassen wir 4 Dich bitten, Dich in mehreren Buch- und Kunsthandlungen, wo gewiß noch ein Exemplar aufzutreiben ist, danach umzusehen, es sofort, ungebunden, zu e kaufen (es kostet ungefähr 10 rℓ) und es uns noch vor dem 23ten Februar zu schicken. Sollte Dir es nicht glücken, ein Exemplar davon aufzutreiben (was wir nicht hoffen) so schickt mir den Schleiden, den ich dann mit Weiß zusammen schenke. ||

Diese Woche bin ich auch mehrere mal ausgewesen. Sonntag Mittag bei Karos, Abends bei Weiß, der selbst herkam und mich einlud. Mittwoch Mittag war ich bei Merkels.

Gestern Abend lasen wir mit Osterwald Peter Schlemihl von Chamisso, wonach wir uns noch recht hübsch unterhielten. –

Wenn Karl an Mimmi schreibt, soll er sie grüssen. Auch Tante Bertha u. s. w. bitte ich herzlich von mir zu grüßen.

Euer alter Ernst Haeckel. ||

Hrn.

Oberregierungsrath Haeckel

zu

Berlin

Schifferstr. 6

a gestr.: es; b gestr.: st; c gestr.: er; eingef.: die Auflage; d gestr.: er; e gestr.: schicken

Brief Metadaten

ID
38751
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Preußische Provinz Sachsen
Datierung
07.02.1852
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,2 x 22,5 cm, ca. 11,4 x 12,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38751
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Charlotte; Merseburg; 07.02.1852; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_38751