Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Jena, 16. Oktober 1864

Jena 16. 10. 64.

Liebe Eltern!

4 Tage bin ich nun schon wieder hier in meinem vereinsamten Neste, und damit, hoffe ich, ist vorläufig der schwerste und schlimmste Anfang dieses Winters überwunden. Ich bin übrigens viel fester und ruhiger geworden, als sich vorigen Sommer war und beginne mein hartes Geschick mit der Fassung und der Ergebung in das Unabänderliche zu ertragen, die einem philosophischen Naturforscher ziemt. In der nächsten Woche hoffe ich mit der neuen (ganz umgestalteten) Einrichtung meines Winterquartiers fertig zu werden und am 24sten werde ich meine Vorlesungen und zugleich die große Darwin- Arbeit beginnen. Besondres ist von hier wenig zu melden. Der Herbst ist hier sehr ungesund gewesen, mit Typhus, Croup, Rheumatismen, Scharlach etc. || und es sind verhältnißmäßig viel Menschen gestorben. Jetzt ist es aber besser. Meine Herreise verlief in dichtem Regen. In Halle, wo ich mich von 11-2 Uhr aufhielt, besuchte ich die Professoren Schaller und Welcker. In Apolda wollte es der glückliche Zufall, daß ich grade mit Gegenbaur, der von Frankfurt zurselben Zeit (4 Uhr) ankam, zusammentraf, und so fuhr ich dann mit ihm allein im Wagen herüber, was für uns beide recht gut war. Er ist, wie ich selbst, viel gefaßter und ruhiger geworden. Seinem Kinde geht es gut. Auch Hildebrandts und Schleichers geht es gut, und sie lassen ebenso wie Seebecks, euch herzlich grüßen und Dir lieber a Vater, baldigst gute Besserung wünschen. Hoffentlich meldet mir euer nächster Brief, daß dieselbe fortschreitet. ||

Bei Gegenbaur, Schleichers und Hildebrandts habe ich bereits mehrere Mittage und Abende zugebracht. Bei Hildebrandts bin ich stets zu Sonntag Mittag eingeladen. Gegenbaur wird 2 mal wöchentlich bei mir essen, und ich ebenso oft bei ihm.

Bertha hat alles sehr ordentlich gehalten.

Ich wohne bereits in Annas Stube, wo ich mir meinen Arbeitstisch an die Stelle ihres früheren Nähtischs gesetzt habe. Außerdem habe ich den Bücherschrank und das Reck hinein gesetzt. Dagegen lasse ich die Weiss‘schen Schränke am früheren Platze.

Hoffentlich höre ich von Dir, lieber Vater bald Bessers. Gerhard mit dem ich gestern über Deine || Krankheit sprach, meinte, die rheumatischen Strapazen würden sich bald ganz wieder verlieren. Doch dürftest Du Dich nicht allzu warm halten. 14 höchstens 15 Grad!! Die seidenen Unterhemden seien vortrefflich. Hoffentlich habt ihr aus Landsbergb gute Nachricht.

Grüßt die Weiss und T. Gertrud etc bestens.

Von Claparédes hatte ich gestern eine sehr traurige Nachricht. Ihm selbst geht es besser. Aber sein jüngeres Töchterchen leidet an einer unheilbaren langwierigen Krankheit (Rückgrat- Vereiterung).

So giebts überall Elend.

Herzlichsten Gruß von eurem

Ernst

Schönsten Dank nochmals für alle Liebe bei meinem Aufenthalt.

a gestr.: Xxxx; b korr. aus: Xxxx;

Brief Metadaten

ID
38578
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
16.10.1864
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 22,2 cm; 13,5 x 20,8 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38578
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Charlotte; Jena; 16.10.1864; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_38578