Ernst Haeckel an Carl Gottlob und Charlotte Haeckel, Lesina, 21. März 1871
Lesina 21. März 71
Dienstag Morgen
Liebste Eltern!
So eben sind wir wohlbehalten hier an unserem Reiseziele angekommen und in dem alten Kloster abgestiegen, in dem wir nun 3-4 Wochen hausen werden. Das ganze Nest sowohl als unsere Einrichtung ist höchst originell und gehört zu dem Merkwürdigsten, was ich gesehen. Das Kloster ist nur von einem alten Kapuziner- Mönch nebst seinem Diener, einem Laienbruder, bewohnt, und wir haben daher Zimmer genug zu unserer Disposition. Der alte Mönch, Padre Buona- Gratia, ist ein sehr gescheuter und origineller Mensch, und ein entschiedener Freigeist, ja sogar Darwinist! ||
Denkt euch, was geschah! Bei der Landung in Lesina bewillkommnet mich der Telegraphen- Director, Herr Buchich (ein sehr liebenswürdiger Mann den Oscar Schmidt von meiner Ankunft benachrichtigt hatte,) mit Citaten aus meiner „Schöpfungsgeschichte“ und versichert mich, daß dies sein Lieblingsbuch und seine „Bibel der Natur“ sei, und als ich in das Kloster trete, ruft mir der alte Mönch in gebrochenem Deutsch zu: „Ja, ja, Herr Professor, wir und die Affen haben alle einen gemeinsamen Stammvater!“ Ihr könnt denken, welchen Jubel darüber meine beiden Studenten hatten, die überhaupt ganz glücklich über die Reise sind. Wir sind alle Drei gesund. Nächstens Nähers. In Eile herzliche Grüße
Euer Ernst.