Ernst Haeckel an Agnes und Karl Haeckel, Fiume, 20. April 1878

Fiume 20. April 78

Samstag

Ihr theuren Lieben in Jena und Potsdam!

Heute Morgen 7 Uhr bin ich nach einer sehr schönen und stillen Seefahrt durch den sturmberüchtigten Quaranero glücklich hier in Fiume angekommen, nachdem ich gestern Abend 8 Uhr von Pola abgefahren war. Es war die die vierte und letzte Seefahrt auf dieser Reise. Alle vier Mal habe ich mit dem Wetter rechtes Glück gehabt, schöne heitere Sonntage zwischen vielen Regentagen. ||

Die 6 Tage in Pola, vom 13. – 19. April, waren mir sehr interessant und lehrreich. Die österreichische Marine in Pola, in allen Graden ‒ vom Admiral bis zum Schiffsfähnrich herab, wetteiferte während dieser Zeit, mir ihre Dienste anzubieten. Den ganzen Vormittag, von 8–12 Uhr, war ich, auf der Dampf-Barkasse, mit Fischen beschäftigt, und hatte 8 Seeleute zu meiner Disposition, mit denen ich den Hafen und die Insel Küsten von Pola nach allen Richtungen untersuchte. ||

Von größerem Werthe war mir der Rath und die Unterstützung des Schiffs Lieutenant Gareis, Vorstands der hydrograph. Section eines sehr kenntnißreichen, auch in der Zoologie wohl bewanderten Manns. Ich wendete ‒ zum ersten Male im Mittelmeer ‒ die neue Ober-Grund-Fischerei Methode des Challenger, ‒ mit einem neuen, von mir construirten Netze an, und fing gleich beim ersten Versuche, am Montag 15. April, eine neue, sehr interessante zierliche Meduse, die ich Petusella adriatica getauft habe. An den folgenden Tagen entdeckte ich noch || mehrere neue Medusen und Radiolarien, deren Untersuchung mich den ganzen Nachmittag beschäftigte; ich bin sehr zufrieden.

Mittag und Abend war ich in dem Marine-Casino, als Gast der „Officiers-Messe“; gestern (Charfreitag) feierliches Diner beim Admiral Sterneck. Am Grün-Donnerstag Abend hielt ich im Casino-Saale einen freien Vortrag über Medusen, Siphonophoren und Schwämme.

Ich wohnte im Hôtel garni (Ribolli).

Mit Aufmerksamkeiten und Artigkeiten aller Art wurde ich wahrhaft überhäuft, so daß ich gestern höchst befriedigt Abschied nahm.

Brief Metadaten

ID
38494
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Kroatien
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich-Ungarn
Datierung
20.04.1878
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
11,2 x 18,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38494
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Agnes; Fiume (Rijeka); 20.04.1878; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_38494