Ernst Haeckel an Anna Sethe, Messina, 17. März 1860

Messina 17.3.60.

Das ist nun schon mein vorletzter Brief aus Messina, mein lieber Herzensschatz und Du kannst denken, mit welchem Herzensjubel ich diesen Gedanke, d. h. der unmittelbar damit verknüpfte, des baldigen seeligsten Wiedersehens, mir immer und immer erneuere und mit allen Einzelhoffnungen lebhaft vor Augen führe. Wenn es mir auch in mancher Beziehung schwer wird, Messina zu verlassen, die glücklich reiche Insel, die grade jetzt ihr herrlichstes Frühlingskleid anzieht, – besonders aber die Arbeit zu unterbrechen, und unvollendet zu lassen, die mir so unendlich viel Glück und innere Befriedigung gewährt hat, wie nie wieder eine andere thun wird, – so wird dieses bittere Gefühl doch unendlich aufgewogen durch den ungleich mächtigeren Gedanken, dessen Glückseligkeit ich kaum auszudrücken wage, das Liebste, Beste, Edelste, was die Erde für mich hat, bald wieder in meine Arme schließen zu können, in meinen lieben treuen blauen Augen das Glück meines ganzen zukünftigen Lebens zu lesen und mir von den holden süßen Lippen die beseeligende Versicherung des reichsten schönsten liebsten Besitzes zu holen. Ich brauche Dir nicht zu sagen, meine liebe, herrliche Änni, was Alles in diesem Gedanken liegt, der mich schon keine Minute mehr verläßt. Wird es Dir selbst doch gewiß nicht anders gehen! ||

Die letzte Woche war höchst unruhig und ungemüthlich. Am Sonntag fing ich an, einzupacken und habe diese ganze Woche tagtäglich vom Morgen bis zum Abend nur Fische und alle andern gesammelten Thierschätze in Spiritus in Büchsen und Gläser verpackt. 3 Kisten sind bereits abgeschickt, 3 andere folgen noch. Morgen fange ich nun an, auch die andren Sachen zu packen, das kostet Alles hier viel mehr Zeit, Mühe, Augen und Geld als ihr in Deutschland glauben könnt. –

Vielleicht habt ihr jetzt auch schon die 3 Apfelsinenkisten erhalten, die ich Ende Januar hier abgeschickt habe. Eine ist für Dich, natürlich die beste! – Eine andere für die Alten – eine dritte für die Freienwalder. – Palmsonntag 1 April fahre ich meinem geliebten heißersehnten Norden zu. Da bestell mir also schönes Frühlingswetter. Die gütigen Nereiden des Mittelmeers werden ja ihren blonden Liebling schon sicher nach Marseille tragen. In Paris bleibe ich 8 – höchstens 14 Tage und dann – ja dann – – – –! Liebchen, ich weiß gar nicht, wie ich mir diesen Moment der höchsten Glückseligkeit glückselig genug vorstellen soll! Wie werden wir nur beide diese Freude erschöpfen können! Wirst Du aber diesen Wanderburschen noch leiden mögen?

– Inliegenden Brief an Prof. Peters bitte ich in einem besonderen Couvert in seine Wohnung (Zoologisches Museum) zu schicken. Den an Max Schultze Einlage nach Bonn. Da ich durch Marseille gleich durchreise, ist der nächste Brief nun nach Parisa zu adressiren: A Monsieur Le Docteur E. H. p. Adr. Msr. E. Roques u. Co. Parisb. (Der Banquier, an den ich von Kaufmann empfohlen bin). Schönsten Gruß an Euch Alle. 1000 innige Küsse von

Deinem treuen Erni.

1000 Dank, liebstes Herz, für Deinen letzten lieben prächtigen Brief, der mir ganz besondere Freude gemacht hat.c

a eingef.: nach Paris; b eingef.: Paris; c Text weiter am oberen Rand von Seite 1, um 180° gedreht: 1000 Dank … gemacht hat.

Brief Metadaten

ID
38292
Gattung
Brief mit Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich beider Sizilien
Zielort
Zielland
Deutschland
Datierung
17.03.1860
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,0 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 38292
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Sethe, Anna; Messina; 17.03.1860; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_38292