Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Bertha Sethe, Jena, 19. Dezember 1898

Jena 19.12.98.

Liebste Tante Bertha!

Für Deinen lieben Brief und Sendung danke ich Dir herzlich. Ich bin lange nicht zum Schreiben an Dich gekommen, obwohl ich sehr oft Deiner treulichst gedacht habe. Das Winter-Semester (sehr gut besucht) hat mir wieder viel Arbeit gemacht. Auch das Tafelwerk: „Kunstformen der Natur“ macht mir viel Mühe u. Schreiberei. Leider ist das erste Heft immer noch nicht fertig gedruckt; sonst hätte ich es Dir zu Weihnachten geschickt. Zunächst sind 5 Hefte (50 Tafeln) in Arbeit. ||

Vielleicht erhältst Du in den nächsten Wochen einmal Besuch von dem Schriftsteller Wilhelm Bölsche (– demselben, den ich im April in Friedrichshagen besuchte –). Er will eine kleine Biographie von mir schreiben, die von vielen Seiten seit Jahren gewünscht wird. (Ich erhielt allein in diesem Jahre nicht weniger als vier Aufforderungen von Buchhändlern, ihnen meine eigene Biographie in Verlag zu geben.) Vielleicht kommt das einmal später; für jetzt ist es mir ganz recht, wenn Herr Bölsche – ein sehr gewandter Schriftsteller –, mir die Arbeit abnimmt. Ich schrieb ihm, daß er Mancherlei von Dir erfahren könne. ||

Bei uns sieht es leider nicht sehr erfreulich aus. Meine arme Frau hat wieder 6 Wochen zu Bett gelegen, mit Herz-Beschwerden, Magen, Nerven etc. Sie ist sehr muthlos, von der neuen schweren Erkrankung im August kann sie sich gar nicht erholen. Eigentlich dauern die schlimmen Folgen der Influenza seit 3 Jahren fort.

– Walter kömmt Donnerstag auf eine ganze Woche aus München. In Leipzig geht es gut. Nr. II. wird wohl erst im Januar erscheinen.

– Sehr gern, liebe Tante, würde ich Dir wieder Bücher zur Lectüre schicken, und habe auf beiliegendem Zettel einige aufgeschrieben, die Dich vielleicht interessiren. || Bitte nur anzustreichen, was Du jetzt wünschst. Leider besitze ich wenig von „Schöner Litteratur“ (die oft recht häßlich ist!! –). Dagegen habe ich sehr viel Reise-Beschreibungen, Natur-Philosophie etc.

In der Weihnachts-Woche wirst Du wohl mehrmals meine Neffen sehen; bitte sie schön zu grüßen.

Mit besten Wünschen und herzlichen Grüßen

Dein treuer alter Neffe

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
19.12.1898
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 38235
ID
38235