Ernst Haeckel an Karl Haeckel, Jena 16. Dezember 1889
Jena 16. Decbr. 1889
Lieber Bruder!
Unser erstes Ballfest ist vorigen Donnerstag (am 12.) glücklich von Statten gegangen und programm-mässig abgelaufen. Alle Theilnehmer (– meine eigene beklommene Seele nicht ausgenommen –) waren sehr vergnügt! Es nahmen 108 Personen daran Theil, nämlich: 10 alte u. 10 junge Ehepaare, 10 alte Herren und 10 alte Damena, 18 junge Mädchen, – 20 Studenten, 8 Priv. Docenten und (sogar!) 2 Lieutenants!! 30 Paare tanzten zusammen! ||
Aber ein theures Vergnügen! 756 Mk!! (Grade à Pers. 7 Mk)
nämlich im Bären – 573 15
(Speise 243, Getränk 300, Local 30)
Decoration (Blumen) – 50
100 Bouquets 30
Musik 40
Tanz u. Einlad. Karten 43
Polizei-Erlaubnis 7 75
Cigarren 12
Summa756.
Der Tag fing um 7½ Abend an. 9½–11 Tisch-Pause, dann Tanz bis 2 Uhr. Um 3 Uhr pünktlich waren wir glücklich zu Hause. Heinz leitete mit dem Universitäts-Amtmann den Tanz sehr schön! ||
– Nun, lieber Schatzmeister, schicke mir mir zur Stillung dieser tanzenden Schmerzens-Summe Geld, entweder jetzt oder zu Neujahr (wie dies paßt!) – 1000 Mk, besser gleich 1500, da noch, viele Rechnungen ausstehen! –
Übrigens ist uns diese außerordentliche Leistung gut bekommen, und wir haben mit einem Schlage alle geselligen Verpflichtungen dieses Winters babgemacht. Sonst wären wir kaum mit 4 Gesellschaften (à 20 Personen) durchgekommen. Unser „sociales Renommé“ ist plötzlich sehr gestiegen! Lisbeth war höchst fidel! −||
Heinz kommt Weihnachten nicht nach Potsdam u. wird bei uns sein.
– Walter bleibt in München, wo es ihm gefällt u. er in einer sehr guten Zeichenschule zu sein scheint. – Wir freuen uns auf die Stille der bevorstehenden Weihnachts-Ferien! –
Dem glücklichen Brautpaar unsere herzlichsten Grüße, nicht minder T. Bertha u. den anderen Lieben! –
Die Kisten mit Mütterchens Nachlaß sind wohlbehalten angekommen.
Mit herzlichen Grüßen
Dein treuer Br. Ernst
a korr.aus: junge Herrn; b gestr.: dadurch