Ernst Haeckel an Charlotte Haeckel, Jena, 21. Juni 1861
Jena 21. 6. 61.
Liebe Mutter!
Gestern erhielt ich Dein Kistchen mit der Wäsche etc. und danke bestens für die Besorgung. Es wundert mich, daß Du es nicht mit Eisenbahn geschickt hast, da es 21 lba wog. – Zunächst habe ich mich gefreut zu hören, daß es Dir besser geht, obwohl leider die Schmerzen Dich noch so viel plagen. Ich hoffe und wünsche von Herzen, daß sie bald nachlassen. Auf Deine Anfrage zur Antwort: Ich habe das Korkbild von der Kirche Wang nicht hier. Ichb habe es bei euch in der neuen Wohnung irgendwo herumliegen sehen, auf oder in einem Schrank. Ich habe nur ein Deckbett hier, und dies ist roth und weiß gestreift. Du hast es mir selbst mitgegeben. –
Die Nachricht vom Tode von Ernst Braun hat mich außerordentlich betrübt, namentlich für die armen, armen Eltern, die ich so sehr verehre, und die erst vor ein Paar Jahren ihren 2ten Sohn verloren. Vater schreibt ja gar nichts Nähers. Schreibt mir doch ausführlich, wie das so plötzlich gekommen. Auch bitte ich Dich, lieber Vater, || recht sehr, selbst zu Prof. Braun zu gehen und ihm zu sagen, daß mich die Nachricht aufs tiefste betrübt hat und daß ich an seinem Unglück den herzlichsten Antheil nehme. Die treffliche Familie hat wirklich viel zu leiden!
– Was macht denn Tante Weiß? Ist sie in Eger?
– Ich werde nun den größten Theil der Herbstferien Hier bleiben, um ungestört die Radiolarien zu vollenden, und dann Mitte September auf ein paar Wochen nach Heringsdorf u. Berlin kommen. –
‒ Hier ist es seit 8-14 Tagen sehr heiß, große Dürre. Ich gehe fast gar nicht aus und arbeite tüchtig. Besonderes kömmt in dem einsamen Stillleben, in dem ich mich sehr wohl und gesund fühle, gar nicht vor. – Wann reist ihr denn ab?
Dir, liebe Mutter, wünsche ich von Herzen gute Besserung. Meiner Meinung nach würde Dir ein starkes Schwefelbad am Besten thun. Sprich doch darüber mit Quinke.
Mit herzl. Gruß
Euer treuer
Ernst.
a Abkürzungszeichen für Pfund; b korr. aus: Es;