Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, [Würzburg], 20./21. Januar 1853

20/1 1853

Liebste Eltern!

Obgleich noch immer kein Brief von euch da ist, fühle ich doch heute ganz besondre Lust an euch zu schreiben. 1) ist heute nach 14tägigem beständigem Regen- oder vielmehr Sündfluthwetter (so daß ich z. B. am Sonntag deßwegen allein nicht zu Tische gehen konnte) heute der erste schöne Tag – aber auch 1 wahrer Frühlingstag, wo einem die verwünschte Wanderlust wieder durch alle Glieder zieht, wenn sie auch noch so a krank sind; der Himmel ist schön blau und wolkenlos, die Luft rein und frisch, der Rasen herrlich grün und im botanischen Garten blühen schon mehrere Frühlingspflanzen u.s.w. – 2) fiel mir heute früh plötzlich, als ich aus dem Colleg kam der Beweis eines ziemlich einfachen geometrischen Satzes ein, mit dem ich mich schon mehrere Tage vergeblich herumgetragen und abgequält hatte (was immer ein schreckliches Vergnügen ist!) – 3) endlich bekam ich heute wieder ein Merseburg-Hallisches Paket von meinen lieben, alten Freunden, indem allein so viel Briefe waren, daß ich 2 Stunden daran zu lesen hatte. Weber und namentlich Weiß sind ganz entzückt über den Mohl. Letzterer schickt mir auch eine Parthie allerliebster, von ihm selbst bestimmter und auch auf geklebter Moose mit, die wirklich reizend sind. Außerdem schreibt er auch einiges, was euch vielleicht interessirt, z. B. Es werden jetzt auf Möllers Veranlassung, der ein betreffendes Ministerialrescript veranlasst hat, sämmliche Merseburger Gymnasiasten von einem Lehrer in die b Kirche geführt, eine Maßregel, || die, wie Weiß ganz richtig bemerkt, nur geeignet ist, alle etwane noch vorhandene Religiösität zu unterdrücken. Weiß schreibt dazu: Mir selbst wird das Kirchengehen dadurch verleidet; am meisten dauern mich noch die Lehrer, die nun, wenigstens abwechselnd, gezwungen sind, die Kirche zu besuchen! – Sehr wahr! – Mit seinem Onkel geht es übrigens nicht gut. – Simons kommen zu Ostern fort, nach einem Neste, eine Stunde von Halle. –

Übrigens träumt auch Weiß von Reisen; namentlich möchte er mit mir in den nächsten Hundstagsferien eine Riesengebirgsreise machen (Ich – und Reisen?!) –

Weber schreibt mir von sehr interessanten Halleschen Collegien, namentlich Burmeisters „Vorträge über den Character der Tropenzone“, die ganz herrlich sein sollen (die möchte ich hören! – nein, doch lieber nicht, sonst kommen wieder zu viele und dumme katzenjämmerliche Gedanken in den Kopf, die nichts thun, als Zeit kosten!) Die Chemie ist dort auch sehr interessant (bei Heintz.). Neulich haben sie nicht nur 20 Loth flüssige Kohlensäure dargestellt, sondern diese sogar zum Frieren gebracht, wozu eine Kälte von nicht weniger als –70° gehört. Bis vor wenigen Jahren kannte man die Kohlensäure nur als Gas. Es ist dies Experiment zwar höchst interessant; aber auch eben so gefährlich; weshalb es Mitscherlich unterließ. Sie haben übrigens dazu nicht weniger als 7200 Radumdrehungen und Kolbenhübe (an der Luftpumpe) gebraucht, was von 10–2 Uhr Nachmittags gedauert hat! –

Weber klagt auch, daß ihm die reine Mathematik nicht recht in den Kopf wolle und daß er lieber Bergmann würde. Humoristisch-tragisch setzt er hinzu: c„Dieser Jammer scheint übrigens nicht bloß bei uns, sondern in ganz Deutschland zu herrschen; wenigstens d hat Weiß auch so was Ähnliches“ – Ja wir armen Naturwissenschaftler! –

Finsterbusch schreibt wieder einen sonderbar pathetisch-didactische-moralischen Brief, in dem er mir den Kopf zurechtsetzt, und an dem allerdings Viel, sehr viel Wahres ist. Dann liegt endlich noch ein Brief von Hetzer dabei, der wieder so naiv-drollig geschrieben ist, daß er mich in ein wahrhaft herz- und nieren-erschütterndes Lachen (das erste nach langer Zeit!) versetzt hat, und daß man den komischen Kerl leibhaftig raisonniren zu hören glaubt. –

Das ist doch was schönes, so eine Freundschaft; ich bilde mir immer ein, es sei sowas von platonischer Liebe dabei! –

An Gandtner habe ich vorige Woche auch einen Brief geschrieben, über 2 volle, große Bogen lang, und warte nun f sehnlichst auf Antwort; ich bin auf seinen Rath sehr gespannt.

– Jetzt aber paß auf, lieber Alter! –

Weißt Du denn schon, daß Du mit unserm gelübden Manteuffel! verwandt bist?! Hört! Hört! – Ich habe dies g gewiß für Dich höchst erfreuliche Factum, auf welches hin Du nicht unterlassen wirst, Dich baldigst deinem geistig und leiblich verwandten Ministerpräsidenten vorzustellen, auf folgende Weise in Erfahrung gebracht: – oder besser, ich schreibe Dir gleich mathematisch die Verwandtschaftsreihe hin: – Häckel – Weissig – Morgenbesser – Steudner – Manteuffel! Reimt sich das nicht hübsch zusammen. || Mein lieber Schlesier nämlichh, der Urbotanikus und Hauptkryptogamist Steudner i (beiläufig ein noch viel botanischereres Urthier als ich, und das will was sagen!) mit dem ich jetzt öfter zusammen bin, ist mit Manteuffel verwandt, was für ihn von großer Wichtigkeit ist; da ihm jener j einst sehr behülflich bei den großen Reisen sein kann, die er machen will (namentlich nach Ostindien). Nun brachten wir neulich bei einem Gespräch über Schlesien heraus, daß die Steudnersche Familie, die hauptsächlich in und um Greiffenberg ihren Sitz hat, nah mit Weissigs (in Hirschberg und Marklisse) verwandt ist. „Ein Vetter von Steudner hat eine Tochter von Morgenbesser geheirathet“. Sind wir denn mit diesen eigentlich verwandt? Jedenfalls hoffe ich, daß die Entdeckung dieser hohen Verwandtschaft Dich höchlichst amüsiren wird! –

Diese Woche habe ich auch noch eine anderweitige Entdeckung gemacht, die fruchtbarer sein kann. Ganz zufällig erfuhr ich nämlich, daß hier jeden Mittwoch und Sonnabend von 4–6 Uhr das ganze Jahrj hindurch öffentlich ein „Musikinstitut höherer Art“ seine Stücke producirt und zwar ganz ausschließlich die klassischen Symphonien von Beethoven, Mozart und Haydn, zuweilen auch etwas von Mendelssohn. Der Direktor ist der eigens dazu angestellte Universitätsprofessor Fröhlich. Natürlich ging ich gleich hin und es gefiel mir sehr (d. h. natürlich so weit mir Musik überhaupt gefallen kann!). Der sehr große Saal wimmelte von Commilitonen; ich will auch öfter hingehen. ||

Nun hätte ich Euch noch eine Hauptgeschichte zu erzählen, nämlich von dem großartigen solennen Fackelzug, den wir Mittwoch am 12ten Januar dem hochgefeierten Virchow gebracht haben. Der Grund dazu war theils eine Anerkennung seiner ausgezeichneten, wissenschaftlichen Wirksamkeit überhaupt, theils ein Dank dafür, daß er einen ehrenvollen Ruf nach Zürich (der ihm auch viel materielle Vortheile geboten hätte) nicht angenommen hatte. (N.B. Da er in Folge dessen um eine Gehaltserhöhung von 400 fl wenigstens angetragen hatte, erhielt er von der königlich bayrischen Regierung – : 200 fl! Ihr seht also, daß man hier noch lumpiger sein kann, als bei uns! Dasselbe Schicksal theilte auch der Rector, der gleichfalls nur die Hälfte der erbetenen Zulage erhielt! –). Vorher waren natürlich mehrere Große Studentenversammlungen, in denen l die Sache berathen und arrangirt wurde, und wo es sehr toll und lustig zuging, auch wieder viele tolle Vorschläge gemacht wurden. Übrigens betheiligten sich nur 150 am Fackelzug; die meisten andern wollten nicht soviel Geld opfern. (Es kostete jedem 1½ fl). Wir hatten 2 große Musikchöre; das eine von der Festungsartillerie kostete 50 fl, das andere von der Landwehr (d. h. was man hier so nennt; m es hieße besser Nationalgarden oder Bürgerwehr oder Philistergarde; am besten lassen sich diese tapfern Krieger mit den Merseburger Schützen vergleichen) kostet 44 fl. 24 xr. (allgemeines Gelächter!). – Der Zug fiel übrigens ganz prächtig aus; die Umstände waren sehr günstig: die Nacht stockfinster, und ein frischer Wind, in dem die Flammen herrlich hin- und herflackerten. || Und was glaubt ihr, daß euer „philiströser, stubenhockender Pflanzenmensch“ (wie mein officieller Titel lautet) dabei für eine Rolle spielte? – Ich sage euch: eine Hauptrolle! (hört, hört!) und zwar vermöge eines einzigen gescheuten Einfalls, der von meinen Herrn Commilitonen als überaus geistreich und classisch gepriesen wurde. Ich zog nämlich über Karls alten Rock meine – glanzkattunene Secirkutte! – Da ich auch ein bischen Furcht vor Erkältung hatte, namentlich da meine Zähne wieder etwas unartig waren, so zog [ich] über meine dicken carirten Hosen noch Vaters alte inexpressibles; da aber diese viel kürzer waren, so ragten jene ein gut Stück drunter hervor. Nun denkt euch dazu noch die große alte Mütze, die weißgrauen klobigen Gummischuhe über den schwarzen Stiefeln, die Pelzhandschuhe, in der linken Hand die riesige Fackel, in der rechten den knotigen Stock und das höchst gelungene, echt poetische Bild in dem romantisch-klassischen Anzuge steht im rothen Fackelglanze vor euch. Dazu kommt nun noch der herrliche Rußüberzug, der schon nach den ersten Minuten, als die Fackeln angezündet waren, sich einstellte und mit dem Schweiß im Gesicht eine innige, Druckerschwärzen ähnliche Verbindung einging, so daß ich wirklich, wie ein leibhaftiger Köhler oder Teufel oder sonst was aussah.

Der Effect dieser gelungenen Figur ist kaum zu beschreiben. Die Kinder nahmen schreiend reißaus, die Frauen und Jungfrauen bildeten, wo wir stehen blieben, einen förmlichen Zuschauerkreis unter Kichern und Staunen, trotzdem wir unsre Fackeln ihrem Gesicht möglichst näherten; die Männer blickten mir fast bedenklich nach und meine Commilitonen selbst bewunderten in mir den „wahren Jünger der Wissenschaft“, den „Anatomen, wie er sein soll“, und das alles machte die schöne Secirkutte, deren einfarbiges Schwarz durch braune Blutflecken, kleine Fettklümpchen und dergleichen angenehm unterbrochen war. Natürlich fühlte sich auch der Geist, der in einer so reizenden Hülle steckte, entsprechend erhoben; ich schwang meine Fackel trotz Einem, und als wir nach fast 2stündigem Umzuge (von 8–¾10) auf dem o Domplatze den Rest der Fackeln zusammen warfen und einen tollen Hexentanz um diesen Scheiterhaufen ausführten, spielte meine Anatomische Figur wieder eine Hauptrolle. Dieser letzte Moment gehörte übrigens zu den schönsten. Zuerst wurde ein großer Ring gebildet und „gaudeamus igitur“ gesungen und dann flogen mit einen Male alle 150 Fackeln hoch, hoch in die Luft und beschrieben, wie Raketen, eine schöne Parabel, worauf sie in weitem Bogen niederfielen. Einige besonders Geschickte schleuderten die ihrige noch ein paarmal in die Höhe und zwar mit einem solchen Schwunge, daß die Fackel während des Wurfs sich mehreremale um ihre eigene Axe drehte, was einen prachtvollen Effekt machte. Überhaupt war der ganze Fackelzug sehr glänzend und fiel weit großartiger aus, als wir gedacht hatten. || Bezüglich des Wegs (der euch freilich nicht interessirt) wäre noch zu erwähnen, daß wir erst die Spitalpromenade herunter, dann durch die Bankgasse und die von der Mainbrücke grade heraufführende Dammstraße zogen. Vor Virchows Haus standen wir fast eine Stunde. Erst wurde eine Deputation, die in einer besondern Kutsche fuhr, zu Virchow herreingeschickt, um ihm unsre Sympathien (die bei mir grade nicht sehr groß sind, obwohl ich seinen kalten, festen, fast starren Character sehr bewundre) auszudrücken; dann kam er selbst heraus und hielt eine ziemlich lange Rede, voll edlem Selbstgefühl und Eifer für die Wissenschaft, der er ganz angehöre! Ich hätte den Fackelzug lieber Kölliker gebracht! Als ich voll Übermuth und p Lustigkeit nach Hause kam, empfing mich meine gute Frau Wirthin gleich mit einem „Jesses, Maria, Juseph, wie schähe sa ausch (wie sehen Sie aus), Herr Doctor?“ q Ich sah auch wirklich allerliebst aus, namentlich im Gesicht, wo ein Stückchen Haut en profil gering vergrößert etwa wie beifolgende Figur aussah; wie anr einem Magnet, der in Eisenfeilspähnen gelegen hat, war die ganze Haut mit einem dichten Barte von schwarzen Fäserchen und Ruß überzogen, so daß ich mich selbst kaum kannte. Unsern vereinigten Bemühungen mit warmem Wasser, Butter und Bimssteinseife gelang es jedoch bald, diesen Überzug bis auf schwarze Ringe um die Augen und die Stirn, die noch ein paar Tage blieben, zu entfernen. Übrigens bekam mir die Geschichte vortrefflich; die Zahnschmerzen sind dadurch vollends vergangen und mein Secirrock besitzt noch jetzt einen kräftigen Kienrußgeruch, der mir unter dem exquisiten Fleischgeruch beim Seciren sehr wohl thut und mich immer an einen schönen märkischen Kiefernwald erinnert. ||

Um 11 Uhr ging ich noch eine Stunde lang auf die große Kneiperei, wo fast die gesammte medicinische Studentenschafts zusammen war (denn hier fehlten auch die nicht Fackeltragenden nicht!); und wo zugleich mit mir fast t alle medicinische Docenten, Virchow selbst an der Spitze, eintraten. Anfangs war es recht nett; es ging sehr lustig her und wurde tüchtig musicirt und Burschenlieder gesungen. Bald fing aber die Sache etwas gar zu toll und bunt zu werden an, und selbst bei den Professoren stellten sich gelinde Begriffsverwirrungen ein. Kölliker, der immer der Gescheuteste ist, drückte sich deßhalb nach einem Stündchen und ich folgte seinem Beispiel. Die andern sind noch bis zum andern Morgen beisammen geblieben, bis sich zuletzt der ganze Wirrwarr in einem allgemeinen Katzenjammer aufgelöst hat. Virchow selbst ist nach 3 Uhr zu Hause gekommen; wie? weiß er wohl selbst am Wenigsten! Die nächste Folge war, daß am nächsten Tage kein Kolleg gelesen wurde, außer bei Kölliker wo nur 25 da waren. Virchow ist 8 Tage wegen „Grippe“ zu Haus geblieben. Das ist das End vom Lied! –

Mit hat übrigens der Fackelzug die größte Freude gemacht. Ihr wißt, wie gern ich immer einmal einen mitgemacht hätte (z. B. den für Hiecke) und wie dies immer vereitelt wurde. Diesmal ist endlich mal was daraus geworden und auch was Rechts!

An Theodor Bleek, Weißes, Großvater, vor allen an Tante Bertha die herzlichsten Grüße. Ich wünsche ihr recht von Herzen baldigst Linderung der Schmerzen. 1000 Grüße E. H.u

Freitag 21/1 53

Endlich, endlich ist heute früh euer lieber Brief angekommen. Habt schönen Dank dafür. Die traurige Ursache der Verzögerung aber, daß es unserer liebsten Tante Bertha so schlecht geht, hat mich sehr, sehr betrübt. Da möchte man wirklich oft Gott fragen, wie er die beste Seele so unschuldig könne leiden lassen? Ja, da giebt es eine Masse Räthsel, über die wir nicht hinauskommen. In Bezug auf Deine religiösen Ansichten bin ich sonst ganz mit Dir, mein lieber Vater, einverstanden; nur ist mir Vieles noch nicht so klar.

– Aus Deinem Brief ersehe ich auch, daß ihr manches von dem schon wißt, was ich euch hier durch Weiß mittheile. –

Hinsichtlich des Pathengeschenks für Ernst Osterwald (nicht Osterwalt!) bin ich vollkommen Deiner v Meinung liebe Mutter! Sei Du nun so gut und besorge ein nettes Kleidchen und einen recht schweren schönenw silbernen Löffel. Ich dächte, wir ließen auch den Namen (wenn auch nicht ganz) eingraviren, und auch den Geburtstag, den 29sten Februar. Was meinst Du dazu? Sein vollständiger Name ist: „Ernst Wilhelm Hermann“. Macht es nur recht schön und werthvoll und denkt, ihr schenktet es mir selbst! –

Heute sind es grade 1 Jahr weniger 4 Tage, daß die Abiturientenarbeiten anfingen und zugleich, grade 1 Jahr plus 4 Tage, daß meine böse Kniegeschichte anfing. Und wann werde ich sagen können: „Es ist ein Jahr her, daß mein Knieübel aufhörte? Wahrscheinlich nie? –

Das Wetter ist heute wieder so traurig, wie nur je vorher. Es gießt in Strömen!x ||

Der Aufsatz war von Carl Zell, betitelt: „Vorzüge der antiken Bildung vor der modernen.“ Als solche stellt er hin 1) Harmonie, d. h. Gesundheit des Leibes und der Seele, Gleichgewicht in der Sphäre des Geistigen, indem der logische Verstand und die Philosophie der Poesie und der mannichfaltigen Phantasie die Waage hält 2) Form, d. h. kräftige und schöne Erscheinung und Offenbarung des Wesens, wie sie sich vor allen in den herrlichen Kunstwerken, dann in der bildenden und formenden Sprache zeigte, welche den Inhalt vollkommen ausspricht 3) Einfachheit, d. h. Stätigkeit und Einheit in allen Productionen, welche sich z. B. in allen ihren Poesien, auch in der andern wissenschaftlichen Thätigkeit, so wie wiederum hauptsächlich in den Werken der bildenden Kunst zeigte, so daß sie Gemeingut des ganzen Volkes waren, 4) Energie, die große innere und äußere Thätigkeit und Kraft, welche sich in dem ganzen öffentlichen, wie privaten Leben der Alten zeigt, welche der Grund ihres Republikanismus war, und allein die großen Charactere erzeugte, welche wir an ihnen bewundern. (Es hat mich diese Auffassung namentlich deßhalb sehr angesprochen, weil ich mir selbst ein solches Bild vom Alterthum geschaffen hatte, ohne mir aber darüber klar zu sein; wenn man nun so seine eigenen Gedanken schön ausgesprochen und dargestellt findet, interessirt einen dies doppelt!) Namentlich hebt er an diesen Vorzügen des klassischen Alterthums dann hervor, daß sie, wenn wir sie uns aneignen, und in unsre jetzige Bildung aufnehmen könnten, das wahrhaft y und eigentlich Vollkommene, das Ideal, erreicht werden würde. Dies ist aber schon zum Theil durch die Richtung unsrer Bildung selbst unmöglich. ||

Als Gegenseiten und eigenthümliche Vorzüge unsrer Bildung werden dann vorzüglich, und mit vollem Recht, hingestellt: vor allem das Christenthum, dessen veredelnder und vervollkommnender Einfluß von der größten Bedeutung ist, dann die hohe und außerordentliche Ausbildung der Naturwissenschaften, die darauf beruhende, z sehr bedeutende Anwendung der Wissenschaft auf technische und industrielle Zwecke und endlich eine umfassendere, allgemeinere Auffassung politischer Ansichten und Systeme. Das letzte ist mir zweifelhaft und ich verstehe davon zu wenig, das andere scheint mir aber alles vollkommen richtig und gut ausgesprochen. –

Noch wollte ich euch erinnern, liebe Eltern, daß ihr mir bald an ein schönes Pathengeschenk für mein Pathchen denken müßt. Auch möchte ich Osterwald selbst noch zu seinem Geburtstage, am 23sten Februar, ein hübsches Andenken, etwa ein schönes Buch schenken; ihr könntet dann beides von Berlin aus hinschicken und ich würde von hier aus bloß dazu schreiben. Überlegt euch die Sache einmal ordentlich. Vielleicht aa zeichne ich ihm auch noch etwas –

Nun adieu, habt noch herzlichen Dank für eure beiden lieben Briefe und behaltet lieb euren alten Jungen E. H.

Herzliche Grüße in No. 8.

a gestr.: g; b gestr.: Sch; c gestr.: „; d gestr.: denkt; e gestr.: en; f gestr.: selbst auf; g gestr.: durch; h korr. aus: nämlich; i gestr.: nämlich; j gestr.: Teufelskerl …..; k eingef.: Jahr; l gestr.: es; m gestr.: ); n korr. aus: Natiol; o gestr.: Markte; p gestr.: Fr; q gestr.: empfing; r eingef.: an; s korr. aus: Studenschaft; t gestr.: die; u Text weiter am linken Rand von S. 9: An Theodor … E. H.; v gestr.: An; w eingef.: schönen; x Text weiter am linken Rand von S. 10: Das Wetter … Strömen!; y gestr.: V; z gestr.: A; aa gestr.: schicke

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
21.01.1853
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 37455
ID
37455