Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, [Potsdam], 19./20. August [1884], mit Nachschrift von Siegfried Haeckel
19/8
Mein lieber Herzens Ernst!
Gestern erhielt ich von Agnes Deinen ersten Reisebericht und freue mich, daß es Dir gut geht. Wir haben in unserem lieben Deutschland so viel schöne Naturschönheiten, daß es nicht nöthig ist, diese so weit zu suchen, wenn der Sinn, sie zu finden und zu geniessen offen bleibt. Da Du schreibst Du würdest wohl 8 Tage in Heiligenberg bleiben, so will ich Dich dort in diesen Zeilen begrüssen, und Dir meine beßten Wünsche zu Deiner Reise schicken, wenn ich schon nichts besonderes zu schreiben habe. – – ||
Vor Allem muß ich Dich dringend bitten: laß Deine jetzige Reise für Dich auch wirklich eine rechte Erholung und Ausspannung sein. Wenn ich noch bis dahin lebe, so hoffe ich Dich in September erfrischt hier bei mir zu sehn. Willa Deine liebe Frau Dich begleiten, oder kommt sie lieber mal mit den Kindern zu mir; denn ich kann keine Reise mehr unternehmen, das haben wir ja deutlich gesehn, als ich bei Euch war, und was einmal nicht geht darin muß man sich finden, wenn ich auch nicht leugnen kann, daß || ichb gerne mit Euch Lieben mehr zusammen wäre.
Mittwoch.
Als ich gestern Abend eben am Schreiben war kamen die Kinder von Karl herauf um etwas mit mir zu spielen, was mir ja auch immer sehr angenehm ist, da meine alten Augen jetzt so schwach sind, daß Lesen und Schreiben nicht lange geht. – Nun Geduld!! Das ist das Kräutlein was wir alle brauchen können ob jung oder alt. Karl ist jetzt im Haag bei Mölders von dort will er in Scheveningen Seebaden. ||
Viel Sorge macht mir jetzt meine Schwester Bertha, die als sie aus dem Bade kam 8 Tage bei mir war; leider war ich damals recht unwohl, das ich wenig von ihrem Hiersein hatte. Nachdem sie wenig Tage in Berlin war, ist ihre Köchin, wie es scheint ernstlich am Nervenfieber erkrankt. Das ist auch eine schlimme Nachkur nach dem Badeauffenthalt. – Und ich sorge recht, daß sie sich zu viel zumuthe. – –
Doch was soll ich Dich auch mit meinen Sorgen || quälen, es ist ja genug wenn ich sie durchmache; mein ganzes Geschmiere an Dich sollte ja nur die innigsten Grüsse für Dich und das Wohlergehn Deiner Lieben Dir bringen und so wünsche ich von Herzen, daß Du gesund und frisch heimkehrst; ich freue mich, daß Du mit Gegenbauer zusammen bist; grüsse ihn herzlich von Deiner
alten Mutter
Lotte.
Zu meiner Freude schrieb Deine liebe Frau mir, daß es ihr mit den Kindern gut gehe. – – ||
[Nachschrift von Siegfried Haeckel]
gruss. | dein Siegfried.
Haecketl. | in Helbenstadt. | bei c Baden. am d | Bodensee.
a korr. aus: Wenn; b eingef.: ich; c gestr.: S; d gestr.: Bods