Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Potsdam, 28. Januar 1881

Potsdam 28/1 81.

Mein lieber Ernst! und liebe Agnes!

Habt beide herzlichen Dank für Euere lieben Briefe! Leid ist es mir wohl, daß ihr, Lieben beide mit Erkältung zu kämpfen habt. Wohl kein Wunder; leidet doch jeder bei diesem rauhen Winterwetter mehr oder weniger daran. Es ist eigen, wie ich allemal Unruhe habe, wenn es bei Euch nicht so geht wie ich es wünsche. Nun bitte sagt mir nur immer wahr wie es geht. Da heute das Wetter scheint milder zu werden, wird es hoffentlich || bald besser mit Euch werden. Ernster noch hat es mich heute den ganzen Tag beschäftigt, daß ich aus Eueren Briefen sehe, daß mein lieber Ernst jetzt so viel Aerger und Verdruß hat. Nur zu bald erfüllt sich darin, was ich fürchtete, als Du die Berufung nach Bonn ausschlugst, das Dir dies leid sein würde. Das ist ja einmal das Loos hier auf Erden, daß das Leben selten ohne Kampf ist, und das wir uns dann auch damit quälen, daß wir es anders sollten gemacht haben; aber, mein lieber Ernst, Du mußt || solche Selbstquälerei von Dir fern halten; unser Thun ist ja immer nur Stückwerk, und wir müssen uns dabei beruhigen, auch wenn was fehlschlägt, daß wir mit Ueberlegung gehandelt, und nach beßter Ueberzeugung gewählt haben. Wärst Du nach Bonn gegangen, würdest Du auch Kämpfe gehabt haben. Gestaltet sich Dein Leben in Jena so, daß Du nicht dort bleiben willst; nun Gottes Welt ist groß; da wird sich schon ein Platz für Dich finden, wo Du ich behaglich fühlst. Auf jeden Fall bist Du in der || glücklichen Lage, daß Du nicht gezwungen bist, wegen dem Unterhalt in Verhältnissen zu bleiben, die Dir wiederstehn. Bei bescheidenen Ansprüchen werdet Ihr ganz gut auskommen, und Euere Kinder erziehen könnena. Also äussere Sorgen treffen Euch nicht. Bei dieser Gelegenheit drengtb sich mir aber auch der Gedanke auf: Dich zu warnen; daß Du solche Zänkereien und Märgeleien nicht zu schwer nehmen mußt, Du verbitterst Dir dadurch Dein Leben. Du bist in vieler Be-||ziehung ein Glückskind, und ein solches nimmt es dann leicht auch alles schwere was nicht nach seinen Wünschen geht. Stürmt es Draussen, so freue Dich um so mehr Deines häuslichen Glücks: Du hast eine Frau, die Dich liebt, und mit der Du je länger je mehr zusammen wächst. Auch die Kinder machen Euch Freude. Nur Muth, mein lieber Ernst! was Dich jetzt bekümmert, wird auch wieder besseren Zeiten weichen. – Ich habe natürlich kein Urtheil darüber, weil mir alles fremd ist, aber um so mehr Verlangen alles zu wissen, was ja hoffentlich || bald durch mündliche Mittheilung geschehn kann; Du weißt ja wie Deine alte Mutter alles im Herzen bewegt, was ihr Kinder begegnet. –

Karl, der heute Abend seine beiden Töchter zu einer Tanzgesellschaft begleitet, war eben hier, und bat mich diese Zeilen an Dich bis morgen früh liegen zu lassen, weil er mit schreiben wollte wegen dem Capital.

An Agnes werde ich nächstens schreiben, jetzt kann ich nicht mehr; mein Kopf ist zu schwach, auch hat Hermann sich bei mir zum Thee angemeldet. – Sei mir Frau und Kinder aufs herzlichste gegrüßt von der alten Mutter Lotte.

a korr. aus: könnt; b korr. aus: drenkt

Brief Metadaten

ID
36900
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
28.01.1881
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
6
Umfang Blätter
3
Format
14,1 x 21,9 cm; 14,0 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36900
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte; Haeckel, Agnes an Haeckel, Ernst; Potsdam; 28.01.1881; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36900