Haeckel, Charlotte

Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 14. Januar 1881

Potsdam 14/1 81.

Lieber Herzens Sohn!

Unbegreiflich ist es mir, daß Du, wie ich aus Deinem gestrigen Brief sehe, von mir noch gar kein Wort empfangen hast. Ich kann nur annehmen, daß ein Brief verlohren ist, denn ich möchte behaupten, daß ich gleich dena Empfang der schönen Medusen Dir angezeigt habe, Dir meine Freude Dir ausgesprochen darüber, daß Dir das b mühsame Werk so vortrefflich gelungen ist. Indem ich Dir meinen Glückwunsch darbrachte, sprach || ich es Dir aus,: wenn auch eine alte Frau den Werth einer wissenschaftlichen Arbeit, wie diese nicht beurtheilen könne, so erquicke es doch immer das Mutterherz, wenn ihr Kind, was Tüchtiges leistet und ich bin dankbar dafür, daß Dein Beruf Dich befriedigt. Gott erhalte Dir den frohen Muth und die Arbeitskraft. Das aber ist der Punkt, wo ich als Mutter immer warnen muß: übertreibe es nicht mit || der Arbeit, gönne Dir auch Ruhe und Erholung, dazu gehört auch, daß Du Dich Deiner Frau und den Kindern widmest; deren geistige Entwickelung Dich erquicken wird.

Daß Deine liebe Frau das Jahr wieder mit Erkältung angefangen hat thut mir leid, grüsse sie herzlich von mir. Hoffentlich ist sie bald wieder ganz frisch; ich schreib ihr diesmal nicht besonders, da ich annehme meine Briefe sind immer für Euch Beide. ||

Freude hast Du mir gemacht durch Zusendung der erhaltenen Anerkennungs Briefe, der von Zittel spricht das klar aus, was ich beim Empfang Deines Medusenwerks empfand. Ich werde die Briefe zu Deinen Pappieren legen oder soll ich sie Dir gleich zurückschicken? Ich habe sie seit gestern so oft gelesen, daß ich sie fast auswendig weiß, Du weißt ja wie gerne ich von meinem alten Jungen höre. ||

Die Bergisch-Märkische zur Einlieferung werde ich durch Hermann an Herrn Joachim schicken; von Deinen, die ich hier habe war auch N. 118070 verlost a 100 Thaler, die ich schon für Dich empfangen habe. –

Deine Pappiere liegen alle in dem blechernen Documentenkasten, der in meinem Leinenschrank steht. Wenn Du herkommst, wollen wir das alles ordnen. Schon so lange hast Du nichts c nachgesehn, daß ich nicht weiß, d wann Du es zu letzt gethan. Da ich nun immer alle Einnahme durch einander || eingetragen habe, so wirst Du Dich nur mit Mühe und ungern in dem Wirwar zurecht finden, um Dir dies nun zu erleichteren, habe ich eine Zusammenstellung der einzelnen Einnahmen und Ausgaben gemacht, den habe ich forne in dem Büchelchen, worin die Berechnung eingetragen eingeheftet, Du brauchst nur den rothen Faden zu zerschneiden. Eben so habe ich hinten in demselben einige Quittungen von Herrn Joachim über die verkaufte Pappiere an geheftet. So denk || ich findest Du es alles in Ordnung, wenn ich es Dir nicht selbst übergeben kann. 12 777d Mark werde ich als Bestand im neuen Büchelchen, was ich für Dich anlegen will, eintragen; und gleich so anfangen daß die Einnahme der Zinsen gesondert ist. Soll ich Dir vielleicht das Büchelchen mit Berechnung zur Einsicht schicken oder soll es bleiben bis Du herkommst? Der Bestand liegt vorläufig in der Creditbank; bald wird es wohl mit einer Hypotek geordnet sein. Doch für || heute genug von diesen Dingen, ich sehe schon: mein lieber Sohn denkt: der Verkehr mit meinen lieben Medusen ist doch besser! – –

Hier ist alles wohl; hoffentlich geht es Agnes und Walter besser. Lisbet dank ich für ihren lieben Brief. Karl ist heute zu einer Conferenz nach Berlin, er ist sehr beschäftigt, so daß ich ihn nur wenig sprechen kann.

Sei mit Frau und Kinder auf innigste gegrüßt von

Deiner

alten Mutter

Lotte.

a gestr.: nach; eingef.: den; b gestr.: N; c gestr.: St; d gestr.: seit; d korr. am unteren Seitenrand von S. 7: 12 777 M.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.01.1881
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36897
ID
36897