Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 20./21. Dezember 1879

Potsdam 20/12 79.

Mein lieber Ernst!

Wie wird es nur meinen Lieben in Jena gehen. Gebe Gott, daß sie alle gesund sind, und das Weihnachtsfest heiter verleben. Mit diesen Gedanken saß ich um meinen herzlichsten Festgruß Euch zu senden.

Noch ehe ich zum Schreiben kam, brachte mir der Postbothe 2 große Packete aus Jena. Als ich am Aufknoten war, kam Karl, und wollte; ich solle es erst Heiligabend besehn, aber ich ließ es mir nicht nehmen, den Brief mußte ich haben, die Sehnsucht von Euch zu hören || war zu groß; habe tausend Dank für alle Liebe. Wie erfreut es mich, daß Du mit Frau und Kinder gesund bist. Gott erhalte Euch ferner so. Mit herzlicher Theilnahme erfüllt mich das schwere Leiden Deiner armen Schwiegermutter, und wie muß Deine Agnes dabei leiden. Ach wenn man das hört, so ist es doppelt unrecht, wenn man es so schmerzlich empfindet, daß man im Alter so wenig leisten kann und so pumpelich wird. Da muß ich immer noch Gott danken, daß ich noch herum krebsen kann, freilich ist das Alter || einmal die Zeit, wovon man sagt: sie gefällt mir nicht! Diese Zeilen sollen Dir und Deinen Lieben meinen Weihnachtsgruß bringen, der nur mit kleinen unscheinbaren Gaben begleitet ist; aber trotz dem aus inniger Liebe; so gerne ich auch besseres schickte, ich kann nicht anders. Nimm also vorlieb.

Hoffentlich verlebt Ihr das Fest recht heiter und ungestört. – Ich erwartte Montag Bertha, die zu meiner Freude bis zum Neuenjahr hier bleiben will. Bei Karl finden sich auch die Kinder ein: gestern ist Herrmann gekommen, der recht wohl ist, heute || Mittag ist Marie aus Dresden gekommen, und diesen Abend wird Heinnrich erwarttet. Seit ein paar Tagen war der Kleine nicht recht, doch scheint es heute viel besser zu sein. So wird hoffentlich das Fest hier heiter verlebt; vorläufig lautet das Programm: Heiligabend Aufbau bei Karl. Erster Feiertag Mittag die ganze Häckelei bei der Alten. Zweiter Feiertag, so Gott will, zu Mittag unten bei Karl. Wenn ich nur meine lieben Jenenser dabei haben könnte. – ||

Nun bitte ich Dich Deinen Kindern 27 Mark von mir in ihr Spaarbuch zu legen, ich habe in der Berechnung mit Dir diese 27 Mark in Einnahme gestellt.

21/12

Guten Morgen, mein lieber Ernst, endlich bin ich eben mit Packen meiner kleinen Gabe für Euch fertig geworden; und füge der Bitte es freundlich aufzunehmen noch hinzu, daß Du beim Auspacken vorsichtig sein mögst, da einige Tassen eingepackt sind. a Eben waren Herrmann und Heinnrich, der gestern spät angekommen || ist, hier bei mir, sie lassen Dich herzlich grüssen, schwelgten beide in Deinem Medusen Werk; ich habe es nicht angesehn, weil Karl wünscht, daß ich es erst Heiligabend sehn solle. Soviel erkenne ich aber aus dem Umfang, daß b eine enorme Arbeit drin steckt. Bin ich doch bei Dir in dem seltenen Fall, daß eine Mutter ihren Sohn ermahnen muß nicht zu viel zu thun. – Habe tausend Dank für || alle Liebe, auch daß Du mich Theil nehmen läßt an den Früchten Deines Fleises. Ich kann Dir nicht versprechen, ob ich Dein Buch ganz durch lesen werde.

Nun noch eine Frage: Hast Du aus Güterslohe meine kleine Wurstsendung erhalten? Wenn nicht bitte ich es mir zu sagen. – –

Für heute, mein Herzens Sohn, sage ich Dir Lebewohl, und wünsche, daß Du mit Deiner lieben || Frau und den Kindern das Fest heiter verlebst. Gott behüte Dich und Dein Haus.

Behalte lieb

Deine

alte, kröpliche

Mutter Lotte.

a gestr.: So; b gestr.: mein

Brief Metadaten

ID
36866
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
21.12.1879
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,2 x 21,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36866
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Potsdam; 21.12.1879; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36866