Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 15. – 17. November 1879
Berlin 15/11 79.
Mein lieber Ernst!
Hoffentlich bist Du wohlbehalten heimgekommen und hast Deine Lieben wohl gefunden. Zu meinem Leidwesen hörte ich gestern von Marichen Reimer, daß Lisbeth wieder Erkältung habe; hoffentlich ist es nicht schlimm.
Ich freue mich noch immer daran, daß Du bei mir warst, wenn es ja nur wenig Tage sein konnte, so ist es mir doch lieb, daß wir uns mal wieder haben aussprechen können; und Du kannst nun Agnes beruhigen, daß ich sie beim nächsten Besuch so unterbringen kann, daß sie die Kinder bei sich kann schlafen lassen; wenn ich noch so lange lebe, müßt Ihr so länger im Sommer bei mir sein.||
Donnerstag nach Deiner Abreise bin ich her gereist, und habe Bertha wohl gefunden. Hier geht es mir sehr gut; und fehlt mir Karl und die Kinder; besonders der kleine Siegfried. Ich freue mich auch so manche liebe Verwandte und Freunde wiederzusehn; die hier zu Bertha kommen, ich bin nur 2 mal ausgewesen, den Freitaga fuhr ich gleich zu Herrn Joachim und besorgte die Geldangelegenheiten, Bertha war gestern hier, um alles abzuholen, da aber noch nicht alles besorgt war, wird sie Montag wieder hin; und ich werde dann das Geld von den verkauften Pappieren in die Creditbank legen, bis sich eine gute Hipotek findet. ||
Alle Einladungen habe ich abgeschlagen, nur einer gestern zu Reimers gefolgt; da sahe ich auch Deinen Schwager Ernst mit der Frau; Marichen sah sehr wohl aus; und alle waren sehr freundlich und Georg besonders herzlich. – – Sonst hat Bertha oft hier eingeladen, b besonders Abends. Morgen zu Mittag werden Quinckes, Sethens und Jakobis hier sein, vielleicht auch Karl, der es noch ungewiß gelassen hat, da er viel zu thun hat, da der neue Direkter zu vertreten ist, der ans Justitzministerium beruffen ist.
Noch war ich vom vorigen Montag aus, wo es so schön war, daß wir etwas fahren || wollten, nahmen wir eine Droschke, und fuhren nach dem Kurfürstendam, um uns nach Anna Sethe zu erkundigen, die ihren Eltern Sorge gemacht, es geht nun besser, sie muß noch liegen, hoffentlich geht es aber glücklich vorüber, es war eine Entzündung im Hüftgelenk. Nach der Spanischenfliege hättec es sich etwas gebessert, und hoffentlich geht es glücklich vorüber. Gertrud sah besser aus, als ich sie Ostern gesehn habe.
17/11 79.
Gestern war starker Schneefall doch kam Karl zu Mittag, der Dich schön grüssen läßt, in Potsdam ist alles wohl. Auch die Verwandte, die hier waren, erkundigten sich nach Euch. – ||
Den alten Quincke finde ich sehr gealtert. Gertrudchen sah sehr elend aus, meinte aber mit Anna bessere es sich sehr. Helehne Jakobie wird in nächsten Tagen die Reise nach Rom mit Clärchen und Adelheid Sethe antreten, wo die 3 bis Mai zu leben denken. Es war gestern recht nett in der Gesellschaft von 12 Personen, auch Lucie Jakobie war hier; nach Tisch wurde beim Kaffe noch traulich geplaudert. Karl ging auch nach 6 Uhr weg, weil er noch Lisko besuchen wollte. Ich denke bis Freitag noch hier zu bleiben, und hoffe dann in Potsdam Nachricht von Dir zu finden besonders mußt Du mir sagen ob meine liebe Lis-||bet wieder ganz wohl ist.
Wir wurden heute sehr betrübt durch die uns durch Fräulein Grien mitgetheilte Nachricht, daß Frau Kortum in Bonn bedenklich erkrankt ist, da Bertha so wohl als ich die Kortum sehr lieben, ist es uns schmerzlich sie leident zu wissen; Gott mache es wohl mit ihr. Wie hast Du denn Deine liebe Schwiegermutter gefunden? bessert sich ihr Zustand?
Bertha, die herzlich grüßt, kommt eben zu Hause, hat bei Herrn Joachim alles für uns besorgt. Wenn ich nach Potsdam komme, wird Karl es sehn unterzubringen; dann schreibe ich Dir näher, und werde Dir die Berechnungen schicken. – ||
Grüße Agnes und die Kinder herzlich. Gott behüte Euch alle, und behaltet lieb
Eure
alte Mutter Lotte.
a gestr.: Donnerst; eingef.: Freitag; b gestr.: v; c korr. aus: wurde