Potsdam 6/11 78.
Lieber Ernst!
Herzlich habe ich mich gefreut von Agnes zu hören, daß Ihr, Lieben, gesund seid und Du im Coleg viel Zuhörer hast, was Dir Freude macht. Agnes danke ich herzlich für ihren Brief und freue mich, daß sie ihren Geburtstag so heiter verlebt hat, und vor allem, daß doch ihre Mutter so weit sich erholt hat, daß Clara und Marie sie verlassen konnten. || Hast Du wohl Agnes an ihrem Geburtstag das Tuch aufgebaut, was ich für sie gearbeitet habe, oder hast Du es Deinen Medusen geschenkt?
In Berlin bei Bertha ist es mir sehr gut gegangen und ich habe mich auch gefreut so manche lieben Menschen wiederzusehn; aber im Ganzen ist doch das berliner Leben für mich zu unruhig. – Vorigen Sonnabend bin ich zurückgereist; und fand hier die Unsrigen ganz wohl. Heinrich ist wieder nach Heidelberg, Hermann || arbeitet in den königlichen Garten am Mühlenberg, wo er bis Ostern beschäftigt wird, er kann beim Vater wohnen, was mich für alle freut, er wird Ostern eine Stelle als Lehrer in einer Landwirtschaft-Anstalt in Preussen antreten.
Der kleine Siegfried läuft munter umher und macht viel Spaß. –
Künftigen Sonntag wird Karl mit seinen Kindern bei mir essen, wenn Du mit uns eine Gans verzähren willst, so || mußt Du pünktlich um 1 Uhr hier sein. – –
Das ist ja die schlimme Seite von Jena, daß ich nur so selten Dich und Deine Lieben hier sehn kann, so habe ich ja klein Emma lange nicht gesehn und Deine Frau und beiden ältesten Kinder nur flüchtig. –
Am letzten Sonnabend in Berlin waren Heinrich mit Frau und Kinder bei Bertha, Heinrich hat sich sehr erholt und obgleich er nach der Krankheit sehr mager geworden, so ge-||fiel mir sein Aussehn besser als seit lange. Einen Mittag waren auch Quinkes und Georg Reimer und Helehne Jacobi bei Bertha. Alle Bekante fragten nach Dir und lassen Dich grüssen. Einen Mittag waren wir bei Agnes und Gertrude Sack und einen bei Johann Reimer.
Grüsse Frau und Kinder herzlich von
Deiner
Dich innig liebenden
alten Mutter
Lotte.