Potsdam 22/3 78.
Lieber Ernst!
Heute früh erhielt ich Deinen Brief aus Wien, wo Du gestern angekommen bist. Ich freue mich, daß Du Strapassen so weit glücklich überstanden hast; und ich hoffe so wird es nun auch mit den letzten Vorträgen gehn, wovon du heute den ersten in Wien hälst. So sehr ich mich auch freue über jede Freundlichkeit, die man meinem lieben Herzens Sohn beweißt, so ist es mir doch jetzt oft zu viel, und ich denke die Huldigungen sind Dir mitunter läßtig. ||
Bertha hatte schon von Tiels gehört, daß in der Cöllner Zeitung gestanden, wie man Dich a ehren würde; und ich wollte Dir das erst schreiben, aber es war mir als wäre es Dir peinlich, wenn Du es vorher wüßtest. – Recht wohl wird Dir sein, wenn Du nach so vielen Trubel an der See Dich mit Deinen Lieblingen beschäftigen kannst. –
Gestern erhielt ich Deine Karte aus Mainz und zugleich von Agnes Deinen Bericht. Herzlichen Dank dafür, ich habe letzteren gleich an Agnes zurück geschickt. – ||
Gegen Mittag kamen auch durch Postanweisung die 300 Mark an, wovon Heinrich heute 200 Mark zur Creditbank gebracht hat; 100 habe ich zur Ausgabe behalten, da neulich zuviel der Zinsen in die Credit Bank gelegt waren; doch das ist ja einerlei; ich habe in den Büchern, worin die Berechnung Deiner Gelder steht, 300 in der Einnahme eingetragen.
Karl habe ich heute noch nicht gesehn, wie mir aber Lina Siebert, sagte so hat sie ihn in der Kirche gesehn, wo zu Königsgeburtstag heute Gottesdienst war; und zu Mittag wird er wohl zur Feier ein officielles Mittagsessen haben. ||
Als mir Karl gestern Abend sagte, er wolle an Dich nach Wien schreiben, bat ich ihn, Dich von mir zu grüssen, ich würde Dir erst schreiben, wenn Du an der See wärst; nun veranlaßte mich aber Deine heutige Zusendung, Dir dafür zu danken; auch dachte ich, es würde Dir lieb sein, zu hören, daß das Geld angekommen ist. –
Wenn Du an die See kommst, sei nur vorsichtig, es ist wohl noch zu früh Seebäder zu nehmen. – Gott sei mit Dir, und gebe Dir auch gute Nachricht von Deinen Lieben. Wie immer
Deine alte Mutter
Lotte Häckel.
a gestr.: mit