Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 20./21. Dezember 1875

Potsdam 20/12 75

Lieber Ernst!

Herz innigen Dank für Deinen lieben Brief, wenn Du auch, wie Du schreibst, nichts besonders zu berichten hast, so macht es mir doch eine große Freude von Euch zu hören, zu mal ich rechte Sehnsucht nach Nachrichten hatte, sind doch meine Gedanken täglich bei Euch. Daß Agnes und Walter wieder beide erkältet waren, thut mir leid. Hoffentlich ist es nun wieder a ganz gut; und ihr verlebt das Weihnachtsfest heiter und ungetrübt mit einander, Wie vergnügt werden die 3 lieben kleinen Bälger sein; || und wie glücklich Vater und Mutter in der Freude ihrer Kinder. Da möchte ich wohl gerne einen Augenblick mit Euch sein; doch ich werde in Gedanken und mit meinen Wünschen bei Eich sein. Gott erhalte Euch Euer häusliches Glück ungetrübt. Agnes bitte ich daß sie den Kindern zum Weihnachtsfest ein Weihnachtslied vorspielt und singt, es ist zu hübsch wenn die Kinder bei ihrer Freude auch auf geistige Weise angeregt werden.

Dinstag.

Gestern wurde ich verhindert, fertig || zu schreiben, und will versuchen, ob es heute geht. Daß Deine jetzige Arbeit über Urtierchen Dir Freude macht freut mich, vergiß nur über Infusorien nicht, das Gute der lebenden Welt anzuerkennen; und mit Dank Dich dessen zu freuen. Du fragst ob ich einen Weihnachtswunsch hätte. nein! das Wünschen hört mit dem Alter auf, der einzige immer bleibende Wunsch ist, daß es meinen Kindern und Enkeln immer gut gehn mag und sie brav und tüchtig im Leben sind, immer: || Gott vor Augen und im Herzen! – Ich bitte Euch dringend, mir nichts zu schicken, behaltet mich nur lieb, das ist mein Wunsch. – Im Allgemeinen fordert wohl diese ernste Zeit, wo so viele Unglücksfälle sind, wozu man gerne sein Schärflein giebt und doch durch die Zeitverhältnisse die Einnahme verringert ist, alle Ausgaben zu beschränken; so ist auch meine kleine Weihnachtsbescheerung sehr dürftig ausgefallen, aber esb ist mit Liebe bereitet und so nehmt es auf. ||

Gestern habe ich die Kiste als Eilgut auf die Eisenbahn geschickt, und bitte mir zu schreiben, was die Fracht macht, die ich berechnen will, da ich es hier nicht gut frei machen konnte. – Das Bild von Karl mit den Kindern konnte ich nicht gut in der Kiste unterbringen, und werde es Dir nächstens besonders schicken. Schreibe auch ob ich Dir das Sepiabild von Koswald mit schicken soll, oder ob ich es hier behalten soll bis Du mal herkommst, und darüber bestimmst. –

Am 12ten war ich bei schlechtem Wetter in Berlin; vorigen Sonntag waren die Kitzer alle bei mir, Heiligabend und die beiden Feiertage soll ich bei ihnen sein, und den 30ten werden wir alle bei Tante Bertha sein, die auch hoffentlich den || zweiten Feiertag herkommt. Da hast Du meine Tageseintheilung, so Gott will! – Recht leid ist es mir, daß das einzige Weihnachtsgeschenk, welches Du für Deine Person von mir bekommen: der Wein nicht nach Wunsch ausgefallen, wir und auch Tante Bertha haben vom selben, und sind auch unzufrieden, die Quallität ist nicht dem Preise angemessen, Karl hat erst Sonntag abgezogen, und ich hoffe der Wein verbessert sich noch auf den Flaschen; rein, unverfälscht schmeckt er , aber schwach. – – Für jetzt ist es nicht zu ändern, und man muß sich vorsehn, ehe man wieder bestellt. – –

Für heute, mein lieber Herzenssohn sage ich Dir Lebewohl. Gott gebe Dir mit Frau und Kindern heitere Feiertage und behalte lieb Deine

alte Mutter Lotte

a gestr.: sehr; b eingef.: es

Brief Metadaten

ID
36669
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
21.12.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
6
Umfang Blätter
3
Format
14,1 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36669
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Potsdam; 21.12.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36669