Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 26./27. Mai 1875

Potsdam 26/5 75.

Mein lieber Ernst!

So kurz auch nur Dein Hiersein war so hat es mich doch so erquickt, daß ich Dir nicht genug danken kann, daß Du mir die Freude gemacht. Du kannst aber kaum Dir denken wie öde und still es nach Deiner Abreise war, und wie ich mich erst wieder an die Einsamkeit gewöhnen mußte. Dazu kam nun noch, die Sorge ob Dir die Reise gut bekommen sei und wie Du Deine Lieben daheim finden würdest; so daß ich schon oft in Begriff war zu schreiben. Nun erhielt ich gestern Deinen lieben Brief, wofür ich Dir herzlich Dank sage. – ||

Deine Versicherung, daß Du Deine liebe Frau wohl und die Kinder auf der Besserung gefunden beruhigt mich nun wohl darüber, aber Du sagst mir gar nicht, wie es Dir geht. Hoffentlich ist Dir doch die Reise gut bekommen. Daß Du noch in Berlin viel alte Bekannte wieder gesehn und Dir Dein Auffenthalt dort Freude gemacht, freut mich. Ich fühle es recht wie schwer Dir die Fahrt nach Neustadt muß gewesen sein, und wenn Du auch leider es nicht besser gefunden hast als ich erwarttet, so ist es mir doch eine Beruhigung, und ich danke Dir sehr, daß Du dort warst, || mündlich werde ich ja durch Bertha wohl noch näheres hören, vor allem möchte ich wissen, ob Dein Dortsein unseren armen Kranken gefreut hat. Gott stehe ihm bei und helfe uns allen das schwere Leid tragen. – – – –

Deinen Auftrag habe ich besorgt, und heute gleich das Geld an Herrn Joachim geschickt mit dem Auftrag vorläufig 1000 Thaler in sichern Pappieren anzulegen, und dazu von dem Gelde mit zu verwenden, was er noch von Dir und mir hat; ich behalte dann immer noch zur Verwendung bei der Westphalia wenn es sein muß. Ich schreibe Dir alles genau an, und werde Dir dann Berechnung machen. – – ||

27/5

Gestern, mein lieber Ernst, war ich zu müde, den Brief zu schliessen; ich habe in dieser Zeit häusliche Unruh gehabt durch Wäsche; freue mich aber, daß nun alles gut überstanden ist, und daß ich gesehn habe, daß ich doch noch arbeiten kann; und habe wieder auf’s Neue empfunden, welcher Seegen in der Arbeit liegt; nach Deiner Abreise war es mir recht traurig, aber da ich tüchtig zu thun hatte, überwand ich das besser. –

Wahrscheinlich werde ich nächsten Montag oder Dinstag nach Berlin fahren; wenn Du also dort für mich etwas zu besorgen hast, so schreibe in Zeiten. Sei mit Frau und Kinder innigst gegrüßt von

Deiner alten

Mutter Lotte.

Brief Metadaten

ID
36644
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
27.05.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,5 x 22,2 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36644
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Potsdam; 27.05.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36644