Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 15. – 22. April 1874

Potsdam 15/4 74

Mein lieber Ernst!

Heute waren meine Gedanken besonders viel mit Dir beschäftigt: ich habe angefangen das Buch, was Du mir hier gelassen zu lesen. Das interessiert mich ungemein; auch daher weil doch manches an Deine Orientreise erinnert, nur fängt a diese Reise an wo Deine endet. – Ich muß Dir nur heute gleich Dank sagen, daß Du mir das Buch hiergelassen hast; dann wollte ich Dich noch fragen, ob Du nichts dagegen hast, wenn ich es binden lasse, denn || es geht ganz aus Randb und Bänder; ich würde dann nur einen ganz einfachen Einband nehmen.

22/4 Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief, mein Herzens Ernst. Es war mir eine große Sonntags Freude, da er mir die Nachricht brachte, daß Du gesund heim gekehrt bist, und Deine liebe Frau mit den Kindern wohl und vergnügt gefunden hast. Gott gebe, daß es Euch, Lieben, ferner gut gehe. Möge die Er-||frischung der Reise nun auch vorhalten, und Dich der Beginn der Vorlesungen nicht zu sehr anstrengen. Was liest Du in diesem Sommersemester und hast Du viel Zuhörer? Du fragst in Deinem Briefe ob Du zur Anlage, die 200 Thaler an Herrn Joachim oder mir schicken sollest, das mache wie Du willst, wenn Du es an Herrn Joachim schickst so sage nur Du überläßt es mir wie es angelegt werden solle; ich habe noch || allerlei mit ihm zu berechnen und auseinander zu setzen; denke bestimmt nächste Woche nach Berlin zu fahren; wahrscheinlich Dinstag, keinen Falls früher. Du kannst also auch mir das Geld schicken, ich nehme es dann mit nach Berlin. –

Karl ist wieder gesund, hat aber in diesen Tagen viel zu thun gehabt, als ich gestern einen Augenblick dort war, saß er so vertieft || in den Acten, daß ich ihn nicht stören wollte. Auch die Kinder sind wohl, Anna war am vorigen Freitag bei Herrn Jacobie zum Ball, sie brachte die Nachricht mit, daß es doch Mutter Minchen besser geht. – Am vorigen Freitag waren Abends Ritters und Karl, Clara und Herrmann bei mir. – Heute hat bei mir das Waschvergnügen angefangen, so habe ich tüchtig im Hause zu thun; und auch || noch für die nächsten Tage Arbeit genug. Viel Zeit kosten mir auch die Reden des Reichtags, da ich mit Interesse wenigstens die bedeutendsten Reden in den kirchlichen Streitigkeiten lesen. So hat mir ganz besonders wohl die Rede des Professors Sybel gefallen. Und ich hoffe der Kampf mit den Ultramontanen wird mal gründlich ausgekämpft. wie steht wohl Gegenbaur zu diesen päpstlichen Geschichten? Hast Du in Heidelberg auch mit ihm darüber gesprochen? –c

Das Reisebuch von Wallner habe ich ausgelesen, mir ist es aber als wäre der Schluß sehr viel || matter als der Anfang. –

Doch Du wirst wohl ungeduldig, ich plaudre Dir zu viel vor, also für heute nur noch die innigsten Grüße an Agnes und die Kinder. Haltet Euch gesund, und behaltet lieb

Euere

alte Mutter

Lotte

a gestr.: Deine; b irrtüml.: für Rang; c Text weiter auf S. 7: wie steht … darüber gesprochen?

Brief Metadaten

ID
36582
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
22.04.1874
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
14,0 x 22,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36582
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Potsdam; 22.04.1874; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36582