Charlotte Haeckel an Ernst Haeckel, Potsdam, 10. März 1873, mit Nachschrift von Karl Haeckel

Potsdam 10/3 73.

Mein lieber Herzens Ernst!

Endlich habe ich heute Nachricht von Dir erhalten, wornach ich mich so sehr gesehnt. Gott sei Dank, daß es Dir bis jetzt so nach Wunsch gegangen ist; Gott möge Dich ferner behüten und beschützen. Ich bitte Dich: sei aber auch nicht tollkühn; denke an Frau und Kinder und an Deine alte Mutter. Hoffentlich erhältst Du gute Nachricht aus Jena. Seit unserer Abreise von dort habe ich nichts gehört, ich habe 2 mal hingeschrieben, und werde nun wohl bald was hören, wenn Agnes mir Deinen Brief schickt. Du kannst denken wie sehr meine Gedanken dort sind, die Kinder fehlen mir und werden mich auch mitunter vermissen. ||

Wie Du berechnet hattest, kam ich hier um 2 Uhr an, und fand Karl und Clara auf dem Bahnhof, die mich herzlich empfingen, und mich mit zu ihrem Hause nahmen, ich mußte bei a ihnen zu Mittag essen, und bis zum Abend bleiben; Marie war zu Hause geschickt zu heizen und blieb dann auch bis zum Abend hier. Die hier anwesenden Kinder waren alle wohl und munter, und freuten sich sehr über den glücklich angekommenen Prophetenkuchen. Anna werde ich das, was Du mir für sie gegeben hast, erst nach der Confirmation geben, ich bin bange es möchte sie vorher zu sehr || zerstreuen. Die ersten Tage bin ich gar nicht ausgegangen; ich fühlte mich zu kaputt, wohl weniger von der Reise als die mancherlei Gemüthsbewegungen; viel trauriges empfing mich hier, die Nachrichten vom armen Karl lauten nicht besser; Clara und Karl sind hin gewesen, doch Karl wird Dir wohl selbst darüber schreiben. Auch sehr tragische Berichte über Karl Sethe; ach lieber Ernst, das ist so schwer sich darin zurecht zu finden. Gott helfe uns durch all dies Leid. Das können wir nur muthig tragen, wenn wir immer fest seiner Vaterhuld vertrauen; jeder an seinem Theil treu das thue, was er für Recht erkennt. – ||

Karl war heute nach Berlin, um Helehne noch zu sprechen, die morgen über Schlötnitz nach Ziegenort abgeht, um ihre Mutter zu sehn, der es etwas besser geht. Wie leid ist es mir, daß ich unwillkührlich auf so manch Trauriges gekommen bin, ich möchte doch so gerne, daß Du Deine Reise so ganz fröhlich und ungetrübt geniessen mögest; ich denke Gottes schöne Natur wird Dich erheitern und erfrischen. Ueber den Zeitungsartikel habe ich mich gefreut aber die Hauptsache steht doch nicht drin, daß Du bei aller äusseren Ehre, die Dir zu Theil wird, doch immer mein lieber Junge bleibst. – ||

Als ich eben diese Zeilen an Dich angefangen, kam Herrmann her, der Dich grüssen läßt, er scheint sich ganz gut in seinem neuen Beruf einzuleben. Anna wird den 30sten März conformiert; dazu denkt Tante Bertha herzu kommen, und auch Helehne mit Clara und Conrad. – Sonnabend vor Palmsonntag werde [ich] Marie auf 8 Tage nach Hause lassen zur Confirmation ihrer Schwester; ich werde so lange bei Karl wohnen. Carfreitag werden wir zusammen zum Abendmahl gehn, da denke unser. Gott behüte Dich!

Behalte lieb

Deine

alte Mutter

Lotte. ||

[Nachschrift von Karl Haeckel]

Herzlichen Gruß, lieber Ernst u. Dank für Deine Zeilen. Ich war gestern bei Aegidi. Er hat Dich bereits bei Herrn von Vaendell in Constantinopel angemeldet.

Ade und herzlichen Gr

Dein CHkl

a gestr.: Ih

Brief Metadaten

ID
36513
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
10.03.1873
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
6
Umfang Blätter
3
Format
14,1 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36513
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Potsdam; 10.03.1873; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36513