Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Potsdam, 23. – 26. Dezember 1872

Potsdam 23/12 72.

Meine lieben, lieben Kinder!

Wie kann ich Euch nur danken, für die vielen Liebesgaben, die Ihr mir gegeben. Nein, wahrlich, Ihr macht es zu arg, Ihr habt mich ja wahrlich überschüttet. Zuerst fand ich in dem Kistchen mit den von mir bestellten Würsten (deren Anrechnung ich mir ausbitte, sonst kann ich nie wieder was bei Euch bestellen) so schöne Bücher zum Lesen. Gestern Mittag als ich beim Essen saß, brachte der Postbothe ein Packet aus a Berlin, und das war von Georg Reimer das Schwammbuch, alle 3 Theile, ich war überrascht, und glaubte erst ich müsse mich bei Georg Reimer bedanken für die zarte Aufmerksamkeit da über-||zeugte mich aber die Aufschrift: „vom Verfasser“, daß mein lieber Herzens Sohn mir die Freude bereitet hat, und daher soll er auch den herzlichsten Dank haben. Eine große Befriedigung muß es Dir sein das mühsame Werk, woran Du mehrere Jahre gearbeitet hast, nun fertig vor Dir zu haben. –

Gestern brachte Karl mit Clara und den vier ältesten Kindern den Abend bei mir zu, und sie freuten sich mit mir über Dein Werk. Nach diesen Liebesgaben, war es mir ganz unbegreiflich, wie heute früh noch 2 Packete aus Jena kamen. Habe Dank, liebe Agnes, für Deine wohl-||gemeinte Fürsorge, daß Du Deine alte Mama wärmen willst; aber ich darf Dir es doch wohl sagen, daß mich am meisten die Photographie unserer beiden Lieblinge gefreut hat, die im Kragen eingehüllt waren. Die lieben herzigen Kinder! Gott behüte sie uns. Morgen Abend bei der Weihnachtsbescherung werden sie Euere größte Freude sein. Schreibt mir nur ja, wie sie sich gefreut haben. Nach dem Bilde zu urtheilen, werden wohl die Handschuh für Lisbet zu klein sein, wenn das ist so schreibe es mir, lieber Agnes, ich stricke ihr dann andere. Daß Du, mein lieber Ernst, Dich von dem Herbarium, || was für Dich so liebe Erinnerungen hat, getrennt hast, um mir eine Freude zu machen, hat mich gerührt; aber Du mußt es dann auch wieder nehmen mit den schönen Büchern; das große Prachtwerk, was im zweiten Packet war, ist ja viel zu schön für eine alte Frau; ich werde es, wenn ich es durchgelesen habe, mit Dank Dir mit den 3 andern Büchern zurück geben, das paßt alles besser in der Bibliothek eines Professors. Aber für jetzt habt beide herzlichen Dank, Euer Zweck ist erreicht, Euere Liebe hat mich gefreut, ich habe auch noch lange Unterhaltung in meiner Einsamkeit. ||

Ueber alle Herrlichkeit bin ich noch nicht dazu gekommen für Euere Briefe zu danken. Es ist mir lieb, liebe Agnes, wenn Du gerne die Sachen brauchst, die ich Dir geschickt; und ich denke mir immer, es ist Euch das lieber, was ich Euch jetzt gebe, als wenn Ihr es nach meinem Scheiden bekommt. Uebrigens habe ich nicht viel Schmucksachen mehr, und da ich selbst keine mehr brauche, sehe ich sie gern an meinen Töchtern. –

25/12 Gestern war ich zum Weihnachtsaufbau bei Karl; in der großen Kinderstube nahm sich der Aufbau recht schön aus; die Kinder waren sehr fröhlich; wir Alten freuten uns auch daran, und doch ging wohl || ein großes Weh durch unser Herz. Du hast wohl recht, mein lieber Ernst, daß das Geschick des kranken Karls einen dunkelen Schleier über alles wirft. Von Besserung haben wir leider noch nichts erfahren. Ich fragte gestern Karl, ob Du ihm mal schreiben könntest, der meinte nun Du möchtest wartten bis wir näheres wüßten; Karl wollte erst künftigen Sonnabend nach Neustadt, kann aber nicht, da er dann Termine hat, nun denkt er Montag den 6/1 73 hinzureisen, wenn nicht Geschäftsabhaltungen kommen. Ich schreibe Dir dann. ||

Die Kinder hatten zur gestrigen Bescherung fleissig gearbeitet. Anna und Marie hatten für den Vater jede ein paar Strümpfe gestrickt, für die Mutter neue Bezüge zu 2 Fußbanken genäht, für mich mit Clara zusammen ein schönes Sophaküssen. Heinerich hatte auf der Laubsaege für mich ein kleines Kästchen gemacht, und für die Mutter ein ganz reizendes Körbchen aus einzelnen Fächer wie das italiänische Holzkörbchen, aber zierlich ausgearbeitet, und in der Mitte ein C. geschnitten; Ernstchen hatte für die Mutter kleine Pappkästchen gemacht mit Bilderchen beklebt. – ||

26 Gestern war ich nach der Kirche den ganzen Tag bei Karl, leider war Clara recht erkältet, ich hoffe es hat sich gebessert in der Nacht, daß sie doch noch mit kann, wir sollen heute mit allen Kindern bei Helehne sein, und denken um 12 Uhr nach Berlin zu fahren. Ich will nur schnell noch beifolgende Kleinigkeit für Euch packen: ich habe etwas Braunschweiger Pfefferkuchen gekauft, und da ich weiß daß Agnes ihn gerne hat, schicke ich Euch ein Stückchen, für Dich Hirschberger Mohnsemmel, oben auf das kleine Stücken mit Corinten, ohne Mohn, ist für die Kinder. Hoffentlich geht es Euch, Lieben, im Feste gut! und ich höre bald von Euch. Seid alle Viere aufs innigste gegrüßt von

Euerer

alten Mutter Lotte.

a gestr.: der

Brief Metadaten

ID
36499
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
26.12.1872
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
14,1 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 36499
Zitiervorlage
Haeckel, Charlotte an Haeckel, Ernst; Potsdam; 26.12.1872; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_36499